0991 - Der Kopf des Vaters
kam das Paket. Julia lächelte, als sie daran dachte, denn in Spanien lebten ihre Eltern. Sonst kannte sie niemanden näher, der aus diesem Land kam. Die Eltern der Frau hatten nichts von dem Schrecken und dem Horror der Vergangenheit mitbekommen. Wahrscheinlich wußte ihr Vater auch nicht, daß sein unehelicher Sohn als Killer-Clown eine blutige Spur hinterlassen hatte. Sie hatte sich mit ihren Eltern auch nach diesen Vorgängen nicht in Verbindung gesetzt, und nun schickten sie ihr ein Paket. Das war schon ungewöhnlich, denn so etwas hatte es noch nie gegeben. Und zum zweiten wunderte sich Julia darüber, daß ihre Eltern die Sendung nicht angekündigt hatten. Es stand jetzt vor ihr, und das zu einem Zeitpunkt, wo ihre Zukunft im Dunkeln lag.
Julia überlegte. Einige Male nagte sie auf ihrer Unterlippe. Neugierde und eine gewisse Vorsicht wechselten sich bei ihr ab. Sie horchte in sich hinein und stellte sich wieder die Frage, was man ihr aus Spanien hätte schicken können. Ein Anruf wäre normal gewesen, aber selbst auf den hatte sie in den letzten beiden Wochen vergeblich gewartet.
Sicher, sie hätte auch telefonieren können, nur hatte es ihr einfach an Zeit gefehlt. Das Unternehmen hatte sie viel Kraft gekostet, und an den Horror wollte sie erst gar nicht denken.
Julia hob das Paket noch einmal an.
Es war relativ leicht, aber was war drin? Sie stellte es wieder auf den Tisch, und ihr fiel plötzlich auf, daß es warm im Wagen war.
Draußen war Wind aufgekommen. Schon ein leichter Sturm, der um die Wagen herumpfiff und das Zelt angriff wie ein wütendes Raubtier.
Was tun? Wollte sie wissen, was sich in dem Paket befand, mußte sie es öffnen. Das Klebeband aufreißen. Eine simple Sache, vor der sie allerdings zurückschreckte. Ein Grund war nicht vorhanden. So wie sie sich benahm, war es schon lächerlich, aber sie horchte auf ihre innere Stimme. Die wiederum schickte ihr die Warnung.
Es war lächerlich, daß sich Julia wie ein kleines Kind benahm. Sie war entschlossen, diesen Graben zu überspringen und sie atmete tief ein, bevor sie die Hände gegen die Seiten legte. Sie mußte die breiten Klebestreifen aufzerren; leichter war es, sie zu zerschneiden. Julia holte sich eine Schere. Sie probierte es einige Male an einer bestimmten Stelle und hatte das Band dann ebenso eingedrückt wie die Pappe darunter. Ein erster Schritt war getan worden.
Ihre Stirn hatte sich in Falten gelegt. In den Rillen malten sich kleine Schweißtropfen ab. Die Schere lag neben dem Karton. Julia arbeitete mit ihren Händen weiter.
Sie klappte die beiden Seiten des Kartons hoch und war etwas enttäuscht, daß sie den Inhalt nicht sofort zu Gesicht bekam. Sie schaute auf eine dichte Papierfüllung, die sie erst entfernen mußte. Trotzdem blieb die Spannung. Die Absender hatten den Inhalt noch einmal eingepackt. Es war ein Karton im Karton. Der kleine bestand aus heller Pappe. Den Deckel konnte man abheben, nachdem man einen Papierstreifen entfernt hatte.
Und diese normale Bewegung führte die Frau auch normal durch. Was dann geschah, erinnerte sie an einen Alptraum und kam über sie wie ein Gespenst des Schreckens. Sie fühlte sich plötzlich an den Rand gestellt.
Sie glaubte, wegzuschwimmen, und sie bemerkte nicht, daß sie den weichen Deckel wegschleuderte wie eine Frisbee-Scheibe.
Julia starrte auf den Inhalt.
Völlig entsetzt, denn in dem kleineren Karton befand sich ein Kopf.
Aber nicht irgendeiner.
Es war ein Kopf, den sie sehr gut kannte. Er gehörte ihrem Vater…
***
Auch jetzt rührte sich Julia nicht. Sie stand wie versteinert vor diesem Karton. Sie machte sich keine Gedanken darüber, wer ihr dieses makabre Präsent geschickt haben konnte. Das konnte sie auch nicht, denn dafür war sie viel zu sehr geschockt.
Das Gesicht sah sie unter dem grauweißen Haar kaum. Dafür entdeckte sie aber einige Blutflecken.
Aus dem Karton strömte ihr zudem ein Geruch entgegen, den sie zuvor noch nie wahrgenommen hatte. Sie war auch nicht in der Lage, ihn zu identifizieren. Es roch einfach widerlich. Es war der Geruch des Todes.
Der Magen rebellierte. Sie würgte, aber sie übergab sich nicht. Julia Sargasso konnte auch nicht weinen. Sie merkte nur, daß sie Schwierigkeiten hatte, auf den Beinen zu bleiben. Wie eine außer Kontrolle geratene mechanische Puppe taumelte sie zurück. Das Gesicht sehr bleich und völlig blutleer.
Der Frau stand das Glück zur Seite. Sie stieß gegen den kleinen Sessel und ließ sich darauf
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