0993 - Das Rätsel der Schattenfrau
Feierabend, wollte sie sich die Zeit nehmen, um mit Natascha zu sprechen.
Ihre Ahnungen waren in der letzten Nacht zur düsteren Gewißheit geworden. Sie spürte das Herannahen einer Gefahr. Sie wußte, daß dieser Frogg unterwegs war, denn er hatte eine Spur gefunden und würde Natascha zurückholen.
Deshalb mußte die junge Frau so schnell wie möglich verschwinden. Donata überlegte nur noch, wie sie es ihr beibringen sollte. Jedenfalls durfte sie nicht mehr länger warten. Sie hatte die junge Frau für den Abend zu sich bestellt und wollte bis zum Zeitpunkt des Treffens noch über sich selbst nachdenken.
Das klosterähnliche Gemäuer lag abseits. Versteckt hinter einem Birkenwald.
Es führte nur eine schmale Straße ans Ziel, und jenseits der Eingangsmauern erstreckte sich ein kleiner Park, nicht eingezäunt, nur ein Gelände, das von den Frauen kultiviert und in einen Garten umgewandelt worden war.
Sie nutzten ihn als Nutzgarten, aber auch als Ruhezone, denn hinter hohen Hecken und auch zwischen ihnen standen grün gestrichene Bänke, die im Sommer als Ruheplätze dienten.
Donata verließ ihr Reich. Sie trug ihr langes, dunkelgrünes Kleid, schon mehr ein Umhang mit Kapuze, die sie hochstreifte, als sie durch den schmalen Gang schritt. Vorbei an den Fenstern, von denen einige vergittert waren. Diese Eisenstäbe stammten noch aus alten Zeiten und waren nicht entfernt worden.
Donatas Gesicht war starr. Man sah ihr die Konzentration an. Sie war ein männlich-herber Typ, aber nicht ohne Reiz.
Das schmale Gesicht mit der geraden Nase, dem ausdrucksstarken Mund und den weich geschwungenen Brauen über den blauen Augen machten sie schon äußerlich zu einer starken Persönlichkeit, der sich niemand entziehen konnte.
Sie hatte Macht über ihre Kunden, das wußte sie, aber sie nutzte diese Fülle nie aus.
Der Gang führte weiter in das eigentliche Kloster hinein, einem wuchtigen Bau aus dunklem Mauerwerk mit angeschlossener Kapelle.
Dorthin wollte sie nicht. Sie mußte zuerst in den Park, um sich noch einmal über die folgenden Stunden klarzuwerden.
Natascha schien etwas zu ahnen. In den letzten beiden Tagen war sie nervös geworden und hatte immer wieder nach Frogg gefragt, aber nie eine konkrete Antwort erhalten.
Donata öffnete die Tür.
Es war Herbst. Der Wind war kalt geworden. Die Birken hatten längst ihre Blätter verloren, die wie ein bunter Teppich auf dem Boden lagen.
Kaum ein Vogel sang oder zwitscherte, die Natur war dabei, sich zur Ruhe zu legen, und die Luft hatte bereits einen gewissen Geruch angenommen, der auf Schneefalll hindeutete.
Donata schloß die Tür hinter sich nicht ab. Sie stemmte sich gegen den Wind, drehte sich dann nach links, spürte ihn jetzt im Rücken und schritt durch das Laub hinweg ihrem Ziel entgegen.
Es war der Garten mit seiner parkähnlichen Landschaft. Dort stand auch die Bank, die von beiden Frauen gern als Treffpunkt genutzt wurde, und Donata wollte dort nachdenken.
Sie ging dicht an den Hecken entlang. Hin und wieder wurde sie von den Spitzen der Zweige gestreift und kam sich dabei vor, als wollte ihr die Natur einen besonderen Gruß zusenden. Die Hecken gaben den typischen Herbstgeruch ab. Ein wenig morbide, nach Tod und Vergänglichkeit duftend, Zeichen der Vergänglichkeit und auch daran erinnernd, daß sich das Jahr dem Ende zuneigte.
Wohin mit Natascha?
Diese Frage stellte sich die Hellseherin schon quälend. Sie wußte bisher keinen Ausweg, und sie wollte, daß Natascha ihr bei der Suche nach einer Lösung half.
Das Laub knisterte unter den Sohlen. Noch waren nicht alle Blätter gefallen. Immer wieder wehten welche müde durch die Luft, als wüßten sie, daß sie sterben mußten.
Sterben…
Donata verdrängte den Gedanken daran bewußt, obwohl er sie in den letzten Nächten schon gequält hatte. Sie sah es als ein böses Omen an, aber sie schaffte es leider nicht, trotz ihrer Fähigkeiten, in die eigene Zukunft zu sehen.
Da gab es eine Sperre. Sicherlich auch positiv einzustufen, so konnte sie unbelasteter und normaler leben.
Der Park mit seinen Hecken glich schon einem kleinen Labyrinth. Im Sommer schattig, immer etwas kühl, eignete er sich als idealer Ort zum Entspannen. Jetzt aber, wo die Tage kürzer und die Schatten länger geworden waren, strahlte er schon eine etwas unheimliche und morbide Atmosphäre aus, an die sich selbst eine Bewohnerin des Hauses wie Donata gewöhnen mußte.
In ihrer dunklen Kleidung wirkte sie selbst wie ein
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