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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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Bett gingen, und sie sollte die Gute-Nacht-Runde bei den Geschwistern machen. Als ich ihr diese Aufgabe übertrug, schaute sie mich wie elektrisiert an. Die größeren Geschwister waren verblüfft, aber ich erklärte ihnen später, dass gerade die Jüngste einmal Verantwortung für die Älteren übernehmen sollte. Sie waren einverstanden. Millie war sehr gewissenhaft, was die Zubettgehzeiten anging. Auf der großen Küchenuhr überprüfte sie, wann es für wen an der Zeit war, Zähne zu putzen und sich bettfertig zu machen. Sie duldete niemals Aufschub. Das sei aber nicht das eigentliche Problem gewesen, sagten mir ihre Geschwister. Auch Millies Rundgang à la Mama, Bettdecke um das Kind stopfen, über das Haar streichen, einen Gutenachtkuss geben und sich auf die Bettkante setzen. All dies sei gerade noch zu ertragen gewesen. Aber dass Millie anschließend in ihrem weißen bodenlangen Nachthemd, ihre kleine Plastik-Gitarre in der Hand, von Matratze zu Matratze zog, um Jonas, Frieda und Till mit selbst erfundenen Liedern lauthals in den Schlaf zu singen, dazu das plärrende Pling-Ploing auf den ungestimmten Saiten – das sei eindeutig zu viel des Guten gewesen. Millie musste den Part mit der Gitarre aufgeben. Sie war so beleidigt, dass sie auch das Übers-Haar-Streichen und den Kuss aufgab, dies jedoch nur vorübergehend.

    Im zweiten Jahr meiner Selbständigkeit professionalisierte sich mein Business zusehends. Nach wie vor wurde viel Texterarbeit angefragt, aber zunehmend auch Beratungsleistungen im Bereich der Unternehmenskommunikation. Die konzeptionelle Arbeit lag mir, und ich wollte meine Praxis unbedingt auf ein solides, anerkanntes, theoretisches Fundament stellen. Der Plan war, auf meinen geisteswissenschaftlichen Studienabschluss noch eine Qualifikation in Wirtschaft draufzusetzen und meine Kenntnisse außerdem gezielt um das Themenfeld Public Relations und Unternehmenspublizistik zu erweitern.
    Wieder wurde ein Familienrat einberufen.
    Wenn ich nun nebenbei auch noch studieren würde, bedeutete dies noch mehr Engagement vonseiten der Kinder. Sie sprachen mir Mut zu – es gab natürlich auch ganz eigennützige Argumente: »Mama, wenn du das noch studierst, dann kannst du mehr Geld von den Kunden verlangen, und wir können einen DVD-Player kaufen.«
    Ich bewarb mich um einen Studienplatz an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich, die in Kooperation mit dem Schweizerischen Public Relations Institut ein spezielles Postgraduate Studium zur Unternehmenspublizistik anbot. Die Studiengebühren waren für mich unerschwinglich, jedoch hätte das gleiche Studium in Leipzig das Dreifache gekostet. Ich war im Begriff, meine Pläne aufzugeben, bewarb mich jedoch für alle Fälle um ein Stipendium – das mir die Schweizer als Einzige des Jahrgangs tatsächlich bewilligten. Ich war neben meiner Freude und Begeisterung auch etwas erschrocken – und rief wieder den Familienrat ein. Es standen ja außer E-Classrooms und Selbststudium viele Präsenzzeiten in Zürich an.
    »Macht nichts, Mama, wir sind ja nicht mehr klein, das schaffen wir schon.«
    »Bring uns aber immer was Leckeres mit. Schokolade, Kekse und so.«
    »Musst du dann diese schweizerische Fremdsprache lernen?«
    »Stellst du uns trotzdem Frühstück hin, wenn du morgens früh zum Flughafen musst?«
    In den folgenden zwei Jahren war mein Koffer auf der Rückreise von Zürich nach Berlin voll bis oben hin mit Schokolade, Keksen und anderen Süßigkeiten. Meine Studienunterlagen quetschte ich auf der Rückreise in meine Handtasche.
    Als es neben all dem Alltagswahnsinn und dem laufenden Geschäft ans Lernen für die Abschlussprüfung und das Schreiben meiner Diplomarbeit ging, wurde ich von meinen Sprösslingen weniger bedauert, als ich gehofft hatte. Nun sähe ich einmal – das musste ich mir von meinen Kindern mit unverhohlenem Stolz und Selbstbewusstsein sagen lassen –, wie es sei, sich auf Klausuren vorbereiten zu müssen, Schulaufgaben aufzuhaben und nebenbei aber noch die ganzen anderen Familienaufgaben erledigen zu müssen.
    Manchmal ist es schlauer, nichts zu entgegnen. Für die Jugend zählt es nicht, sie kann es vielleicht auch gar nicht schätzen, wenn man jeden Morgen um fünf Uhr aufsteht, um Frühstück zu machen, den Haushalt einigermaßen auf Vordermann bringt, dabei zwei Kaffee trinkt, um den zerknitterten Zombie, den man morgens im Spiegel sieht, zu einer salonfähigen Geschäftsfrau zu glätten. Es ist eben auch das Privileg der

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