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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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fuchteln.
    Ihr alle, ihr großen Magier – Lichte wie Dunkle – lehnt einen schlichten Kampf ab, wollt auf elegante Weise siegen. Den Gegner erniedrigen. Einfache Siege öden euch an, sind überholt. Die große Konfrontation ist zu einer endlosen Schachpartie verkommen. Auch für Geser, den großen Lichten Magier, der Sebulon mit ungemeinem Vergnügen verhöhnt, nachdem er ein anderes Äußeres angenommen hat.
    Für mich ist die Konfrontation noch nicht zu einem Spiel geworden.
    Vielleicht liegt darin meine Chance.
    Ich zog die Pistole aus der Tasche, entsicherte sie. Ich atmete ein, tief, sehr tief, als wollte ich etwas erschnüffeln. Es war an der Zeit. Maxim spürte, dass diesmal alles sehr schnell gehen würde.
    Ohne lange nächtliche Lauer. Auch ohne lange Verfolgung. Zu deutlich war die Erleuchtung diesmal gewesen, und er hatte nicht nur die fremde, feindliche Anwesenheit wahrgenommen, sondern auch einen klaren Hinweis auf das Ziel.
    Er war zur Kreuzung Galuschkinstraße und Jaroslawskaja gefahren und hatte im Hof eines Hochhauses geparkt. Das schwelende schwarze Feuerchen beobachtet, das sich langsam im Gebäude hin und her bewegte.
    Dort hockte der Dunkle Magier. Maxim nahm ihn jetzt bereits in der Realität wahr, konnte ihn fast erkennen. Ein Mann. Mit schwachen Fähigkeiten. Kein Tiermensch, kein Vampir, kein Inkubus. Sondern ein Dunkler Magier. In Anbetracht der geringen Kräfte dürfte es keine Probleme geben. Die lagen woanders.
    Maxim konnte nur hoffen und beten, dass ihm das nicht zu oft passieren würde. Tag für Tag die Ausgeburten des Dunkels zu vernichten laugte ihn nicht nur körperlich aus. Da war auch noch dieser absolut schreckliche Moment, wenn der Dolch das Herz des Feindes durchbohrte. Der Augenblick, in dem alles um ihn herum erbebte, um Gleichgewicht kämpfte, während die Farben stumpf wurden, die Geräusche verebbten, die Bewegungen sich verlangsamten. Was sollte er tun, wenn er sich einmal irrte? Wenn er nicht einen Feind der Menschheit, sondern einen gewöhnlichen Menschen liquidierte? Er wusste es nicht.
    Aber einen Ausweg gab es nicht, denn er allein war auf dieser Welt in der Lage, die Dunklen von den einfachen Menschen zu unterscheiden. Nur ihm war – von Gott, dem Schicksal oder dem Zufall – die Waffe in die Hand gelegt worden.
    Maxim langte nach dem Holzdolch. Betrachtete das Spielzeug mit einem Anflug von Sehnsucht und Panik. Nicht er hatte damals diesen Dolch gehobelt, nicht er hatte ihm den hochtrabenden Namen Misericorde gegeben.
    Zwölf waren sie damals gewesen, er und Petka, sein bester und möglicherweise einziger Freund in der Kindheit oder – wozu das verhehlen – in seinem ganzen Leben. Hatten Ritter gespielt, nicht sehr lange, denn in ihrer Kindheit gab es genug, was ihnen Vergnügen bereitete, auch ohne Computer und Diskotheken. Alle Jungen aus dem Haus hatten zusammen gespielt, einen einzigen kurzen Sommer lang, hatten Schwerter und Dolche gehobelt, sich anscheinend mit aller Kraft duelliert, aber dennoch immer aufgepasst. Denn sie hatten gewusst, dass man sich auch mit einem Stück Holz ein Auge ausstechen oder sich bis aufs Blut aufritzen konnte. Komischerweise waren Petka und er immer in unterschiedlichen Pionierlagern gelandet. Vielleicht weil Petka etwas jünger war und Maxim sich deshalb ein wenig dieses Freundes schämte, der ihn mit begeisterten Augen ansah und ihm als schweigendes Schwänzchen verliebt hinterherlief. Wie oft hatte Maxim damals Petka bei einem ihrer Kämpfe das Holzschwert aus den Händen geschlagen – der konnte sich ja kaum gegen den größeren Freund wehren – und geschrien: »Du bist mein Gefangener!«
    Bis einmal etwas Seltsames geschah. Petka streckte ihm schweigend den Dolch hin und sagte, der edle Ritter müsse sein Leben mit diesem Misericorde beenden, ihn aber nicht als Gefangenen demütigen. Es war ein Spiel, natürlich, nur ein Spiel, doch irgendetwas krampfte sich in Maxim zusammen, als er zuschlug, den Schlag mit dem Holzdolch vortäuschte. Und dann durchlebte er jenen unerträglich kurzen Moment, als Petka abwechselnd ihm, Maxim, auf die Hand, die den Spielzeugdolch an das verdreckte weiße T-Shirt presste, und in die Augen schaute. Und dann plötzlich wie nebenher sagte: »Behalt es, das soll deine Trophäe sein.«
    Maxim behielt den hölzernen Dolch gern, ohne zu zögern. Sowohl als Trophäe wie auch als Geschenk. Nur dass er ihn niemals mit zum Spielen nahm. Ihn zu Hause aufbewahrte, ihn zu vergessen versuchte, als

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