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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Verrückter, der sich für Superman hält und auf seine Taten auch noch stolz ist. Wahrscheinlich hatte er sich in seinem Leben nichts so sehnlich gewünscht, wie einen Waffenbruder zu treffen.
    »Maxim, wir haben dich nicht rechtzeitig bemerkt«, fuhr ich fort. Ob sich doch noch alles friedlich regeln ließ, ohne Blutvergießen, ohne einen sinnlosen Kampf von zwei weißen Magiern? »Das ist unsere Schuld. Du hast angefangen, allein zu kämpfen, hast einfach drauflosgedroschen. Doch noch lässt sich alles wieder gutmachen, Maxim. Schließlich hast du nichts vom Großen Vertrag gewusst, oder?«
    Er hörte mir nicht zu, ein unbekannter Vertrag interessierte ihn nicht im Geringsten. Nur dass er nicht mehr allein dastand, zählte für ihn.
    »Kämpft ihr gegen das Dunkel?«
    »Ja.«
    »Seid ihr viele?«
    »Ja.«
    Abermals sah Maxim mich an und erneut blitzte in seinen Augen der durchdringende Atem des Zwielichts auf. Er versuchte, die Lüge zu erkennen, das Dunkel auszumachen, das Böse und den Hass zu orten – all das, was er zu sehen vermochte.
    »Du bist kein Dunkler«, sagte er fast mitfühlend. »Das sehe ich. Ich irre mich nicht, niemals!«
    »Ich bin ein Wächter«, wiederholte ich. Ich sah mich um – niemand. Irgendetwas hatte die Menschen verschreckt. Vermutlich gehörte auch das zu den Fähigkeiten des Wilden.
    »Dieser Junge …«
    »Ist auch ein Anderer«, warf ich schnell ein. »Er hat sich noch nicht entschieden, ob er ein Lichter oder …«
    Maxim schüttelte den Kopf. »Er ist ein Dunkler.«
    Ich sah Jegor an. Langsam hob der Junge den Blick.
    »Nein«, sagte ich.
    Die Aura war klar zu erkennen, ein leuchtender reiner Regenbogen, schillernd, eine Aura, wie sie normalerweise nur kleine Kinder haben, nicht aber Jugendliche. Das eigene Schicksal, eine unbesiegelte Zukunft.
    »Ein Dunkler.« Maxim schüttelte den Kopf. »Siehst du das denn nicht? Ich irre mich nie, niemals. Du hast mich daran gehindert, diesen Sendboten des Dunkels zu vernichten.«
    Vermutlich log er nicht. Er konnte nur wenig, das aber gut. Maxim konnte das Dunkel sehen, noch die kleinsten Flecken in anderen Seelen ausmachen. Mehr noch, gerade dieses entstehende Dunkel sah er besonders gut.
    »Wir bringen nicht einfach alle Dunklen um.«
    »Warum nicht?«
    »Wir haben Waffenruhe geschlossen, Maxim.«
    »Wie kann man mit dem Dunkel Waffenruhe schließen?«
    Ein Frösteln durchfuhr mich: In seiner Stimme lag nicht der geringste Zweifel.
    »Jeder Krieg ist schlechter als der Friede.«
    »Dieser nicht.« Maxim hob die Hand mit dem Dolch. »Siehst du den? Das ist ein Geschenk meines Freundes. Er ist gestorben, und daran sind vielleicht solche wie dieser Junge schuld. Das Dunkel ist heimtückisch!«
    »Sagst du das mir?«
    »Natürlich. Vielleicht bist du ja auch ein Lichter.« Sein Gesicht verzog sich zu einem bitteren Grinsen. »Nur ist euer Licht dann schon seit langem trübe geworden. Man darf dem Bösen nicht vergeben. Mit dem Dunkel keine Waffenruhe schließen.«
    »Man darf dem Bösen nicht vergeben?« Jetzt war auch ich erbost. Und wie. »Als du den Dunklen Magier auf der Toilette erschlagen hast, warum bist du da nicht noch zehn Minuten geblieben? Warum hast du dir nicht angesehen, wie die Kinder schreien, wie seine Frau weint? Sie sind keine Dunklen, Maxim! Sondern ganz gewöhnliche Menschen, die nicht unsere Kräfte haben! Du hast die junge Frau vor den Kugeln gerettet …«
    Er erschauerte, doch sein Gesicht wirkte nach wie vor wie gemeißelt.
    »Das war großartig! Aber dass sie deinetwegen, wegen deiner Verbrechen umgebracht werden sollte – das wusstest du nicht!«
    »Das ist der Krieg!«
    »Den du angefangen hast«, zischte ich. »Du bist ja selbst noch ein Kind, mit deinem Spielzeugdolch. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, ja? Im großen Kampf für das Licht ist alles erlaubt?«
    »Ich kämpfe nicht für das Licht.« Er hatte ebenfalls die Stimme gesenkt. »Nicht für das Licht, sondern gegen das Dunkel. Das ist alles, was ich kann. Verstehst du? Glaub ja nicht, mich würden die Späne nicht interessieren. Ich habe nicht um diese Kraft gebeten, nicht davon geträumt. Doch da ich sie nun einmal habe, muss ich sie auch nutzen.«
    Wer hatte ihn bloß übersehen?
    Warum hatten wir Maxim nicht in dem Moment aufgespürt, als er zum Anderen wurde?
    Er hätte einen vorzüglichen Fahnder abgegeben. Nach langen Streitigkeiten und Erklärungen. Nach Monaten der Ausbildung, Jahren der Praxis, nach Misserfolgen, Fehlern, Besäufnissen und

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