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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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uns allen bevorsteht: ins Zwielicht. In die trüben Träume, das farblose Blendwerk, die ewige dunstige Kälte. Meine Kräfte reichten nicht aus, um in ihm einen Feind zu sehen – zu dem er mich ja ohne zu zögern erklärt hatte.
    Wir umkreisten einander, mitunter machte Maxim einen Ausfall, jedoch ungeschickt, denn er hatte nie richtig gekämpft, war es gewohnt, seine Opfer schnell und einfach umzubringen. Und irgendwo aus weiter Ferne hörte ich Sebulons höhnisches Lachen.
    »Du wolltest ein Spiel gegen das Dunkel wagen?«, sagte er mit weicher, einschmeichelnder Stimme. »Nur zu. Du hast alles, was du brauchst. Feinde, Freunde, Liebe und Hass. Wähl deine Waffe. Welche du willst. Den Ausgang kennst du ohnehin schon. Jetzt kennst du ihn.«
    Vielleicht hatte ich mir diese Stimme nur eingebildet. Vielleicht erklang sie aber auch wirklich.
    »Du bringst dich um!«, schrie ich. Das Halfter schlug gegen meinen Körper, als verlange es, dass ich die Pistole herausnahm und einen Schwarm kleiner silberner Wespen auf Maxim losließ. Genauso leicht, wie ich es vorhin bei meinem Namensvetter getan hatte.
    Er hörte mich nicht – das war ihm nicht gegeben.
    Sweta, du wolltest unbedingt wissen, wo die Hürden für uns aufgestellt sind, wo die Grenze ist, an der wir in unserem Kampf gegen das Dunkel innehalten müssen. Warum bist du jetzt nicht hier? Dann würdest du es sehen und verstehen.
    Es war überhaupt niemand hier, weder Dunkle, um sich aus vollem Herzen an diesem Duell zu ergötzen, noch Lichte, um zu helfen, sich auf Maxim zu stürzen, ihn zu fesseln, unseren tödlichen Zwielicht-Tanz zu beenden. Nur der ungelenk aufstehende Junge, der zukünftige Dunkle Magier, und der unerbittliche Henker mit den gemeißelten Gesichtszügen, jener ungerufene Paladin des Lichts. Der nicht weniger Böses angerichtet hatte als ein Dutzend Tiermenschen oder Vampire.
    Ich raffte den kalten Nebel zusammen, der mir durch die Finger strömte. Erlaubte ihm, an meinen Fingern zu saugen. Und schickte ein wenig mehr Kraft in die rechte Hand.
    Ein weißer Feuerkeil erwuchs aus meinem Handteller. Das Zwielicht fauchte, flammte auf. Ich zog das weiße Schwert, eine einfache und effektive Waffe. Maxim erstarrte.
    »Das Gute, das Böse.« Ein neues, schiefes Grinsen zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. »Komm zu mir. Komm her, und ich töte dich. Selbst wenn du hundertmal ein Lichter bist, darum geht es gar nicht.«
    Bei jedem anderen hätte das gewirkt. Bestimmt. Man muss sich das vorstellen: zum ersten Mal zu sehen, wie aus dem Nichts eine Feuerklinge auftaucht. Aber Maxim kam weiter auf mich zu.
    Überwand die fünf Schritte, die uns trennten. Gelassen, mit glatter Stirn, ohne auf das weiße Schwert zu achten. Während ich dastand und immer wieder in Gedanken wiederholte, was sich so leicht und überzeugend laut sagte.
    Dann drang der Holzdolch zwischen meine Rippen ein.
    In weiter Ferne brach Sebulon, das Oberhaupt der Tagwache, in seiner Höhle in schallendes Gelächter aus.
    Ich fiel erst auf die Knie, dann auf den Rücken. Presste die Hand auf die Brust. Es schmerzte, bislang schmerzte es nur. Das Zwielicht winselte empört auf, als es das lebende Blut spürte, und wich auseinander.
    Wie beschämend!
    Oder war das mein einziger Ausweg? Zu sterben?
    Swetlana würde niemanden retten müssen. Sie könnte ihren Weg gehen, eine langen und ruhmreichen Weg, selbst wenn auch sie eines Tages für immer ins Zwielicht eingehen muss.
    Ob du das wusstest, Geser? Vielleicht sogar auf diesen Ausgang gehofft hast?
    Die Welt gewann ihre Farben zurück. Die dunklen Farben der Nacht. Das Zwielicht spuckte mich widerwillig aus, verschmähte mich. Halb liegend, halb sitzend hielt ich meine blutende Wunde.
    »Warum bist du noch am Leben?«, fragte Maxim.
    Erneut lag in seiner Stimme ein beleidigter Unterton, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte einen Schmollmund gemacht. Am liebsten hätte ich gelacht, doch meine Schmerzen ließen das nicht zu. Er sah auf den Dolch und hob ihn voller Unsicherheit erneut. Im nächsten Moment stand Jegor neben mir. Schirmte mich vor Maxim ab. Diesmal hinderte mich der Schmerz nicht daran zu lachen.
    Der zukünftige Dunkle Magier rettete den einen Lichten vor dem anderen!
    »Ich lebe, weil deine Waffe nur für Dunkle gedacht ist«, erklärte ich. In meiner Brust gluckerte es verdächtig. Der Dolch war nicht bis zum Herz gedrungen, hatte aber die Lunge aufgerissen. »Ich weiß nicht, wer ihn dir gegeben hat. Doch das ist

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