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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Kurier empfangen, einen aus dem Orient. Die Dunklen haben versucht, ihn aufzuspüren und zu vernichten. Unter den Augen des Chefs.« Semjon grinste.
    »Das bedeutet Krieg!«
    »Nein, sie hatten das Recht dazu. Der Kurier ist illegal eingereist.«
    Ich schaute mich um. Niemand rannte herum. Niemand ließ ein Auto an, niemand raffte seine Sachen zusammen. Ignat und Ilja heizten den Grill schon wieder an.
    »Müssen wir denn nicht zurück?«
    »Nein. Der Chef ist allein damit fertig geworden. Es gab einen kleinen Kampf, jedoch ohne Opfer. Der Kurier wurde in die Wache aufgenommen, und die Dunklen waren gezwungen, wieder abzuziehen. Nur das Restaurant hat ein wenig gelitten.«
    »Was für ein Restaurant?«
    »In dem sich der Chef mit dem Kurier getroffen hat«, erklärte Semjon geduldig. »Wir brauchen unsern Urlaub nicht abzubrechen.«
    Ich sah in den Himmel – er war blendend blau, von Hitze satt.
    »Eigentlich will ich nicht länger ausspannen. Ich fahre nach Moskau zurück. Ich glaube nicht, dass mir das jemand übel nimmt.«
    »Natürlich nicht.«
    Semjon holte seine Zigaretten heraus und zündete sich eine an. »An deiner Stelle würde ich versuchen herauszufinden«, bemerkte er beiläufig, »was genau der Kurier aus dem Orient mitgebracht hat. Vielleicht ist das deine Chance.«
    Ich lachte bitter auf. »Die Dunklen konnten das nicht in Erfahrung bringen, und du schlägst mir vor, den Safe vom Chef zu knacken?«
    »Die Dunklen konnten es nicht an sich bringen. Was auch immer es ist. Du hast natürlich kein Recht, die Ware an dich zu nehmen oder auch nur anzufassen. Aber herauszubekommen …«
    »Danke. Ganz ehrlich, danke.«
    Semjon nickte, nahm ohne falsche Bescheidenheit meinen Dank an. »Im Zwielicht werden wir quitt. Ja, weißt du, mir reicht es auch. Nach dem Essen leihe ich mir das Motorrad von Tigerjunges und fahre in die Stadt. Kommst du mit?«
    »Hm.«
    Es war mir peinlich. Wahrscheinlich kann diese Art von Scham nur ein Anderer in vollem Ausmaß empfinden. Wir begreifen stets, wenn man uns entgegenkommt, wenn man uns unverdiente Geschenke macht, die zurückzuweisen es uns an Kraft mangelt.
    Ich konnte nicht länger hier bleiben. Auf gar keinen Fall. Sweta sehen, Olga, Ignat. Ihre Wahrheit hören.
    Meine Wahrheit würde ich niemals aufgeben.
    »Kannst du Motorrad fahren?«, fragte ich, das Gespräch ungeschickt in eine andere Richtung lenkend.
    »Ich habe an der ersten Rallye Paris-Dakar teilgenommen. Jetzt lass uns den Jungs helfen.«
    Finster sah ich Ignat an, der Brennholz schlug. Das Beil handhabte er virtuos. Nach jedem Schlag verharrte er einen Moment, bedachte die Umstehenden mit einem flüchtigen Blick und ließ die Muskeln spielen.
    Er liebte sich sehr. Die ganze übrige Welt übrigens nicht weniger. Aber sich selbst in erster Linie.
    »Helfen wir ihnen«, stimmte ich zu. Ich holte weit aus und warf durch das Zwielicht das Zeichen der Dreifachschneide. Einige Kloben zerfielen zu akkuraten Scheiten. Ignat, der das Beil gerade zum nächsten Schlag hob, verlor das Gleichgewicht und wäre beinah gefallen. Er riss den Kopf herum.
    Natürlich hatte mein Schlag eine Spur im Raum hinterlassen. Das Zwielicht klirrte, sog die Energie gierig auf.
    »Was soll denn das, Antoscha?«, fragte Ignat leicht gekränkt. »Warum hast du das gemacht? Das ist nicht sportlich!«
    »Dafür aber effektiv«, entgegnete ich und verließ die Terrasse. »Gibt es noch mehr zu hacken?«
    »Du hast Ideen.« Ignat bückte sich und sammelte die Scheite auf. »Es kommt noch so weit, dass wir das Schaschlik mit Feuerkugeln grillen.«
    Ich fühlte mich nicht schuldig, half ihm aber trotzdem. Das Brennholz war sauber gehackt, die Stücke blitzten saftig bernsteingelb. Schade eigentlich – solche Schönheit zu verfeuern.
    Nach einer Weile sah ich zum Haus hinüber und bemerkte in einem Fenster im ersten Stock Olga.
    Mit sehr ernster Miene beobachtete sie meine Eskapaden. Mit allzu ernster Miene.
    Ich winkte ihr zu.

Fünf
    Tigerjunges besaß ein prima Motorrad, falls man dieses Allerweltswort überhaupt auf eine Harley anwenden kann. Selbst wenn es das einfachste Modell ist – es gibt eben Harley Davidsons, und es gibt andere Motorräder.
    Wozu Tigerjunges das Ding brauchte, wusste ich nicht, konnte sie doch höchstens ein- oder zweimal pro Jahr damit fahren. Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie die riesige Villa, wo die Zauberin bloß die Wochenenden verbrachte. Immerhin erreichten wir die Stadt dadurch noch vor zwei Uhr

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