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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Meine Pistole lag in der Wohnung. Ein Dutzend Kampfamulette ebenfalls.
    Ich könnte jetzt ganz nach Anweisung vorgehen. Ein Wächter der Nacht, der das Eindringen eines Fremden in einer magisch geschützten Wohnung feststellt, ist verpflichtet, den Dienst habenden Fahnder und seinen Betreuer zu informieren, worauf …
    Allein bei der Vorstellung, jetzt Geser anzurufen, zwei Stunden nachdem er mal eben die gesamte Tagwache aufgemischt hatte, verflüchtigte sich jeder Wunsch, die Anweisungen zu befolgen. Ich krümmte die Finger, um den schnellen Gefrierzauber einzuleiten. Vielleicht erinnerte ich mich noch an die wirkungsvolle Geste von Semjon.
    Sei vorsichtig?
    Ich stieß die Tür auf und trat in meine Wohnung, die augenblicklich zu einer fremden geworden war.
    Noch beim Hineingehen wurde mir klar, wessen Kräfte ausreichen, wer die Macht sowie schlicht und ergreifend die Chuzpe haben würde, uneingeladen bei mir einzudringen.
    »Guten Tag, Chef!«, sagte ich und schaute ins Arbeitszimmer.
    In einem Punkte immerhin lag ich richtig.
    Sebulon saß in einem Sessel am Fenster und zog verwundert die Augenbrauen hoch. Er legte die Zeitung Argumente und Fakten beiseite, die er gerade gelesen hatte. Nahm mit einer akkuraten Geste die Brille mit dem schmalen Goldrahmen ab. Und erst dann bequemte er sich zu einer Antwort.
    »Guten Tag, Anton. Weißt du, ich wäre froh, wenn ich dein Chef wäre.«
    Er lächelte, der Dunkle Magier außerhalb jeder Kategorie, das Oberhaupt der Tagwache Moskaus. Wie immer trug er einen tadellos sitzenden schwarzen Anzug und ein hellgraues Hemd. Dieser magere, kurzhaarige Andere unbestimmbaren Alters.
    »Ich habe mich halt geirrt«, sagte ich. »Was machst du hier?«
    Sebulon zuckte mit den Schultern. »Nimm das Amulett. Es liegt irgendwo im Schreibtisch, das spüre ich.«
    Ich ging zum Schreibtisch, zog die Schublade auf und holte das beinerne Amulett an der Kupferkette heraus. Sobald ich meine Faust darum ballte, spürte ich, wie das Amulett sich erwärmte.
    »Sebulon, du hast keine Macht über mich.«
    »Gut«, meinte der Dunkle Magier nickend. »Ich will nicht, dass du Zweifel an deiner eigenen Sicherheit hegst.«
    »Was machst du im Haus eines Lichten, Sebulon? Das gibt mir das Recht, dich vor das Tribunal zu bringen.«
    »Ich weiß.« Sebulon breitete die Arme aus. »Ich weiß das alles. Ich bin nicht im Recht. Bin dumm. Reite mich und die Tagwache in sonst was rein. Aber ich bin nicht als Feind zu dir gekommen.«
    Ich hüllte mich in Schweigen.
    »Ja, wegen der Überwachungsanlagen brauchst du dir keine Gedanken machen«, meinte Sebulon lässig. »Weder um eure noch um die der Inquisition. Ich habe mir erlaubt, sie, sagen wir, ruhig zu stellen. Alles, was wir miteinander besprechen, bleibt für immer unter uns.«
    »Trau einem Menschen zur Hälfte, einem Lichten zu einem Viertel und einem Dunklen überhaupt nicht«, knurrte ich.
    »Natürlich. Du hast Recht, mir nicht zu trauen. Musst das sogar! Aber ich bitte dich, mich anzuhören.« Unversehens lächelte Sebulon, und zwar erstaunlich offen und friedfertig. »Du bist doch ein Lichter. Du bist verpflichtet zu helfen. Allen, die dich darum bitten, selbst mir. Und ich bitte dich darum.«
    Zögernd ging ich zu dem kleinen Sofa und setzte mich. Ohne mir die Schuhe auszuziehen, ohne den in der Schwebe befindlichen »Freeze« auszuheben – als sei die Vorstellung, mit Sebulon zu kämpfen, nicht absolut lächerlich.
    Ein Fremder in der eigenen Wohnung. My home is my castle – in den Jahren meiner Arbeit für die Wache hatte ich fast begonnen, an diese Worte zu glauben.
    »Als Erstes – wie bist du hier hereingekommen?«, fragte ich.
    »Als Erstes habe ich einen ganz gewöhnlichen Dietrich genommen, aber …«
    »Sebulon, du weißt ganz genau, was ich meine. Die Signalbarriere kann man zerstören, aber nicht täuschen. Sie hätte losgehen müssen, sobald jemand Fremdes eindringt.«
    Der Dunkle Magier seufzte. »Kostja hat mir geholfen, hier reinzukommen. Du hast ihm doch die Erlaubnis erteilt, deine Wohnung zu betreten.«
    »Ich hatte gedacht, er sei mein Freund. Auch wenn er ein Vampir ist.«
    »Aber er ist dein Freund.« Sebulon lächelte. »Und will dir helfen.«
    »Auf seine Art.«
    »Auf unsere Art. Anton, ich bin in deine Wohnung gekommen, aber ich will dir keinen Schaden zufügen. Ich habe mir keine Arbeitsunterlagen angeschaut, die du hier aufbewahrst. Habe keine Zeichen hinterlassen, um hier etwas zu observieren. Ich bin gekommen, um mit

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