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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wenn der Vorhang off gezogen wird und die Darschteller zu singen anfangen, wird es sich ganz von selber zeigen, ob sie für den Tenor geeignet, oder zum Kontrabaß geboren worden sind. Es muß doch jedenfalls nur den Sängern ihre Sache sein, ob sie hoch oder niedrig singen wollen. Ich wenigstens ließe mir keenen Tenor vorschreiben, wenn ich eenen Violonbaß in der Gurgel hätte. Das können Sie mir glooben. Ich bin der richtige Mann, der das beurteelen kann, denn als ich damals in Moritzburg als Forschtgehilfe differierte, bin ich Mitglied des dortigen Gesangvereins gewesen und habe sogar den Vertrauensposten animiert, allemal nach der Übungsschtunde die Notenbücher und den Taktschtock einzuschließen, was doch was zu bedeuten hat.“
    Hobble-Frank wäre in seiner eifrigen Rede gern fortgefahren; aber da kehrten Winnetou und Old Shatterhand zurück, und der letztere gebot den Lagernden, sich zum Aufbruch zu rüsten; er teilte den Westmännern mit: „Wir sind den Spuren der Nijoras eine Strecke weit gefolgt. Sie scheinen nach dem Chellyfluß zu wollen, was uns sehr lieb sein muß, da derselbe auch in unserer Richtung liegt.“

NEUNTES KAPITEL
    Des Kantor emeritus Streiche
    Der Trupp setzte sich in Bewegung. Den Eingang der Höhle wieder zuzuschütten, hätte keinen Zweck gehabt; man ließ sie offen.
    Nachdem man die Schlucht passiert hatte, lenkte Winnetou, welcher an der Spitze ritt, nach dem Wald, in welchem die Nijoras die Nacht zugebracht hatten. Man kam auf ihre Fährte; sie führte zur Höhe empor und dann jenseits in ein langes Tal hinab, welches auf eine ebene Savanne mündete, welche eine solche Ausdehnung besaß, daß man ihre Grenzen nicht sehen konnte. Die Spur der Indianer führte in schnurgerader Richtung in diese Ebene hinein.
    Hier brauchte man nicht besorgt zu sein, unerwartet auf Feinde zu treffen; denn es wäre jede Annäherung schon von weitem zu bemerken gewesen. Darum duldeten es die beiden Führer, daß ihre Gefährten sich ganz nach ihrem Belieben bewegten und sich laut miteinander unterhielten.
    Der Kantor war durch die Auskunft, um welche er den Hobble-Frank gebeten hatte, nicht befriedigt worden; darum machte er sich an die Seite desselben und fragte: „Herr Franke, würden Sie mir einen Gefallen erweisen?“
    „Warum denn nich? Aber was für eenen denn?“
    „Ich habe bemerkt, daß Sie bei Old Shatterhand gut stehen. Ihnen erfüllt er vielleicht den Wunsch, mit welchem er mich abweisen würde.“
    „So? Wenn Sie das denken, da haben Sie das Richtige getroffen. Ich erfreue mich der ganz besonderen Freundschaft und Egalität dieses berühmten Mannes.“
    „Dann ersuchen Sie ihn doch einmal, ein Lied zu singen, und wenn es auch nur eine einzige Strophe wäre! Wollen Sie das?“
    „Nee, lieber Freund, ich will nich!“
    „Nicht? Warum nicht?“
    „Ich will ihn bitten, sich bei eenem Grizzlybären schlafen zu legen oder eenen wilden Büffel bei den Hörnern anzufassen; das würde er tun, denn er ist der Mann dazu. Aber singen? Nee, das kann ich ihm nicht zumuten; da würde er mich schön heimleuchten, hörnse mal. Versuchen Sie es selber; ich will mir da die Finger nich verbrennen. Übrigens, Sie reden nur immer von der Musik Ihrer Oper, aber nich von dem Text dazu. Haben Sie den schon?“
    „Nein.“
    „Na, da is aber keene Zeit zu verlieren. Wenden Sie sich schleunigst an eenen Dichter, der das nötige Talent besitzt!“
    „Ich gedenke selbst den Text fertig zu bringen.“
    „So? Sie selber?“ fragte Frank, indem er ihn mit einem kurzen Seitenblick maß. „Haben Sie denn die Wissenschaft vom richtigen Verschmaße studiert? Können Sie die Helden, welche Sie aus den Kulissen schieben wollen, in die eenzelnen Zeilen und Wörter zerlegen, daß sie sich ooch richtig reimen?“
    „Ich hoffe es. Übrigens würde ich hier vergeblich nach einem Dichter suchen.“
    „So? I der tausend! Sie denken also wohl, es is keener da?“
    „Ja.“
    „Hören Sie, da geben Sie sich einer optischen Täuschung hin, die ich Ihnen kurieren muß. Es is nämlich een Dichter unter uns.“
    „Wirklich?“
    „Ja. Und was für eener!“
    „Wer denn?“
    „Das erraten Sie nich?“
    „Nein.“
    „Hm, Sie können mir leid tun! Sie brauchen ihn bloß anzublicken, um ihm sofort anzusehen, daß er eene höchst seltene dichterische Formation im Kopf trägt. Seine geistig edlen und melodisch delikaten Gesichtszüge beweisen das.“
    Der Kantor ließ seinen Blick prüfend von einem Reiter zum andern

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