10 - Der Ölprinz
befindet.“
„Ich bin ein Navajo; die Nijoras sind jetzt unsre Feinde; sie haben acht Navajokrieger gefangengenommen, deren Bruder ich bin; ich habe die Pflicht, alles zu versuchen, diese Gefangenen zu befreien. Da gerät auch der Ölprinz in meine Hand. Ich nehme ihm die Anweisung ab und gebe sie Euch.“
Der Bankier sah den jungen Indianer, welcher mit einer solchen Bestimmtheit und Sicherheit sprach, erstaunt an und fragte ihn: „Die Navajos wollt Ihr befreien, mein kleiner Sir? Wißt Ihr denn die Zahl der Nijoras?“
„Es sind nur dreißig.“
„Nur?! Und Ihr, Ihr allein wollt es mit ihnen aufnehmen?“
„Ich fürchte mich nicht vor ihnen. Übrigens werde ich gar nicht allein sein. Ich suche die Krieger meines Stammes auf.“
„Wißt Ihr denn, wo diese sich befinden?“
„Sie sind hier. Es gibt acht Navajospäher; daraus ist zu schließen, daß unsre Krieger nicht fern von hier zu suchen sind.“
„Aber ehe Ihr sie findet, vergeht die Zeit und die Nijoras werden indessen entkommen!“
„Die entkommen nicht“, fiel da Old Shatterhand ein. „Wir sind ja hier. Was sagt mein Bruder Winnetou zu meinem Entschluß?“
Er hatte diesen Entschluß noch mit keinem Wort bezeichnet, dennoch antwortete der Apache, ihn erratend, sofort: „Er ist gut. Wir werden den Nijoras folgen, die Navajos befreien und dem Ölprinzen den Zettel abnehmen.“
„Danke Euch, danke Euch!“ rief Rollins jubelnd aus. „Wenn Ihr dies sagt, so ist es gewiß, daß ich die Anweisung zurückerhalte und also mein Geld rette. Aber wann brechen wir auf? Natürlich sofort, meine Herren?“
„Sobald wie möglich“, antwortete Old Shatterhand. „Erst wollen wir uns diese Höhle auch einmal ansehen, und dann wird Winnetou mich nach der Stelle im Wald führen, wo die Nijoras mit ihren Gefangenen gelagert haben.“
Nun erst wurde das Innere der Höhle untersucht. Sie war keine künstlich hergestellte, sondern eine natürliche, ausgewaschen durch die vom Hochwald durch den Felsen sickernde Feuchtigkeit, welche von hier aus ihren Abfluß in den See gefunden hatte. Daher der Sand und Steingrus, welcher in einem schmalen Streifen von der Höhle aus nach dem ‚Finstern Wasser‘ führte. Man fand vierzig leere Petroleumfässer, einige Hacken und ein Beil, weiter nichts. Zwei der Fässer wurden zerschlagen; ihre Trümmer sollten mitgenommen werden, weil sie ein vorzügliches Feuermaterial lieferten, falls man in eine Gegend kam, wo kein Holz zu finden war.
Dann gingen Winnetou und Old Shatterhand fort, um die Lagerstätte der Nijoras zu untersuchen. Die andern lagerten sich im Gras, um auf die Rückkehr dieser beiden zu warten. Sie bildeten da verschiedene kleine Gruppen, so wie die einzelnen sich gerade zusammenfanden. Bei allen war das Thema des Gespräches eines und dasselbe: die Erlebnisse der letzten Tage und daß man die Rettung aller nur Old Shatterhand und Winnetou zu verdanken hätte. Das Lob dieser beiden Männer floß von allen Lippen.
Besonders wußte der Hobble-Frank von ihnen zu erzählen. Er saß bei den deutschen Auswanderern und erzählte in seiner drastischen Weise einige Episoden aus seinem Zusammenleben mit Old Shatterhand und Winnetou. Der Kantor hörte mit großer Aufmerksamkeit zu und benützte eine Pause, welche Frank machte, zu der Bemerkung: „Das ist es, was ich brauche! Solche Taten will ich auf die Bühne bringen; die geben den Effekt, welchen ich beabsichtige! Aber es gibt eine Schwierigkeit dabei, die zu überwinden Sie mir vielleicht helfen können, Herr Franke.“
„Was für eene is das denn? Ich liebe nämlich grad die Schwierigkeeten. Für so was Leichtes kann ich mich nich gut kondensieren. Was aber schwer is, was Mühe macht und Anschtrengung kostet, das is zu jeder Zeit mein Lieblingsfach gewesen. Darum habe ich es schtets mehr mit den geistig offwärtsschtrebenden, als mit den körperlich abwärtsgerichteten Wissenschaften und Künsten gehalten. Also wenden Sie sich getrost an mich, Herr Kantor emeriticus ! Ich bin der richtige Mann und Held für Sie. Was meenen Sie für eene Schwierigkeet? Ich werde sie mit der größten Leichtigkeet und Kohäsion beseitigen.“
„Hm! Haben Sie vielleicht einmal Old Shatterhand oder Winnetou singen hören?“
„Singen? Nee!“
„Aber diese beiden Männer können doch singen? Oder meinen Sie nicht?“
„Ob sie singen können? Was das für eene indigoflammierte Frage is! Schämen Sie sich denn nich, so was zu denken oder gar so alluvialisch
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