10 - Der Ölprinz
Winnetou hat etwas Wichtiges vergessen. Er hat nicht an die acht Navajos gedacht, welche sich in den Händen der Nijoras befinden.“
„Ich habe an sie gedacht“, antwortete der Apache.
„Wir müssen auch ihre Freiheit verlangen.“
Da fuhr Mokaschi zornig auf: „Was gehen euch diese an? Sind sie eure Gefährten? Haben wir sie in eurer Gesellschaft gefangen? Ihr sagt, daß ihr weder ihre noch unsre Feinde seid, und ich habe das geglaubt. Soll ich nun daran irre werden? Ich habe den Willen getan, soweit es eure Personen und eure Sachen betrifft. Diese Navajos aber, unsre Feinde, sind euch fremd: sie gehen euch nichts an, und ihr habt sie nicht von uns zu fordern. Wenn ihr dies dennoch tut, so nehme ich mein Versprechen zurück, und der Kampf zwischen uns und euch mag beginnen, obgleich ihr mir gedroht habt, daß ich der erste sein werde, welcher sterben muß.“
Die Menschlichkeit trieb Old Shatterhand, dennoch auf seinem Verlangen zu beharren; Winnetou aber glaubte, auf eine andere Weise zu demselben Ziel kommen zu können; er gab ihm daher einen heimlichen Wink und sagte zu dem Nijora: „Mein Bruder Mokaschi hat recht; wir dürfen diese Navajos nicht von euch verlangen, denn sie sind nicht unsre Gefährten gewesen; aber du weißt, daß ich sie ebenso wie euch als meine Brüder betrachte, und darum werde ich eine Bitte für sie aussprechen.“
„Winnetou mag reden, und ich werde hören.“
„Was beabsichtigt ihr, mit diesen Gefangenen zu tun?“
„Sie werden am Marterpfahl sterben, gerade so wie alle andern Navajos, die noch in unsre Hände fallen.“
„So bitte ich dich, sie nicht schon jetzt sterben zu lassen!“
„Wann?“
„Wenn der Kampf beendet und das Kriegsbeil wieder vergraben worden ist.“
„Das würde auch geschehen, ohne daß du es erbittest. Du bist der berühmteste Krieger der Apachen und mußt also den Gebrauch aller Stämme kennen. Kein Gefangener wird während des Kriegszuges gemartert, sondern erst dann, wenn die Sieger in ihre Dörfer heimgekehrt sind. So wird es auch bei uns geschehen.“
„Ich wußte es. Wir sind nun einig und werden die Pfeife des Friedens und der Besiegelung darüber rauchen.“
„So bindet mich los und kommt mit mir unter den Bäumen hervor und in das Freie hinaus, damit meine Krieger sehen, daß wir das Kalumet rauchen. Da werden sie wissen, daß sie für mich nichts zu fürchten haben und daß der Friede zwischen uns und euch geschlossen worden ist.“
Sein Wunsch wurde sogleich erfüllt. Man löste ihm die Fesseln und dann setzten sich alle hinaus ins Freie, wo gestern die Feuer gebrannt hatten. Dort stopfte Winnetou seine Friedenspfeife, zündete sie an und ließ Mokaschi die ersten Züge aus derselben tun. Dann ging sie von Hand zu Hand weiter. Sogar die Frauen und Kinder mußten sie wenigstens in den Mund nehmen, sonst hätte sich nach indianischen Begriffen der Vergleich nicht mit auf sie erstreckt und sie hätten überfallen oder gar getötet werden können, ohne daß man das Recht gehabt hätte, deshalb auf die Roten den Vorwurf der Treulosigkeit zu schleudern.
Als diese Zeremonie vorüber war, reichte Mokaschi allen, selbst auch den Kindern, die Hand und ging dann zu seinen Leuten hinüber, um ihnen das Übereinkommen mitzuteilen.
„Ich hätte die acht Navajos gern frei gehabt“, sagte Old Shatterhand. „Nun müssen wir sie in den Händen der Nijoras lassen!“
„Mein Bruder mag sich nicht um sie sorgen; es wird ihnen nichts geschehen“, versicherte Winnetou.
„Das ist nicht so sicher, wie du zu denken scheinst.“
„Es ist sicher. Die Nijoras werden gezwungen sein, auch diese Gefangenen freizugeben.“
„Wer soll sie zwingen? Die Navajos?“
„Ja.“
„Wieso denn?“
„Wir werden sie dazu auffordern.“
„So denkst du, daß wir uns nun direkt zu den Navajos wenden werden?“
„Wir werden das tun müssen, weil der Ölprinz zu ihnen ist.“
„Hm! Es gibt allerdings Gründe, dies anzunehmen. Die drei Kerls haben keine Waffen; sie können kein Wild erlegen; Feuerzeug fehlt ihnen auch; sie werden hungern müssen und also gezwungen sein, Menschen aufzusuchen; andre Menschen als die Navajos gibt es aber da, wohin sie kommen, nicht. Freilich fragt es sich, wie sie von diesen aufgenommen werden.“
„Gut.“
„Das ist zu bezweifeln und doch auch möglich. Wenn sie sagen, daß sie Feinde der Nijoras sind, bei diesen gefangen gewesen, ihnen aber entflohen sind, so wird der Empfang ein leidlicher sein.“
„Mein
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