10 - Der Ölprinz
Bruder mag berücksichtigen, daß sie auch noch andres sagen können. Sie werden von den Navajokundschaftern sprechen und vielleicht erzählen, daß Khasti-tine, der Anführer derselben, von den Nijoras ermordet worden ist. Sie werden dich und mich erwähnen und alles erwähnen, um sich bei den Navajos einzuschmeicheln.“
„Und von ihnen Hilfe erlangen, nämlich Waffen und alles, was sie sonst noch brauchen. Denkst du, daß sie das bekommen werden?“
„Es kommt darauf an, was sie erzählen werden. Nitsas-Ini aber, der große Häuptling der Navajos, ist ein sehr kluger Mann; er wird jedes Wort, was er von ihnen hört, prüfen, ehe er es glaubt. Doch, schau hinüber zu den Nijoras! Sie besteigen ihre Pferde.“
Es war so, wie er sagte. Mokaschi hatte seinen Leuten gesagt, daß Frieden geschlossen sei. Sie waren zwar nicht sehr damit einverstanden, mußten sich aber fügen, weil das Kalumet darüber geraucht worden war. Aus Ärger über diesen für sie gar nicht glänzenden Abschluß des Abenteuers wollten sie am liebsten jetzt gar nichts mehr sehen; sie stiegen also auf ihre Pferde und ritten davon. Einige aber waren zurückgeblieben und brachten alle Gegenstände, welche die Weißen noch zu verlangen hatten. Es fehlten zwar einige Kleinigkeiten, doch hatten dieselben einen so geringen Wert, daß gar kein Wort darüber verloren wurde. Warum solche Nichtigkeiten erwähnen, wo es sich vorher um ganz andre Dinge, sogar um Tod und Leben gehandelt hatte!
ZEHNTES KAPITEL
Das verlorene Schriftstück
Es war zwei Tage später. Da, wo der Chelly-Arm sich in den Rio San Juan ergießt, welcher auch den Namen Rio del Navajos führt, gab es auf der Landzunge zwischen diesen beiden Flüssen ein ganz bedeutendes Indianerlager. Es mochten da wohl an die sechshundert Navajos versammelt sein, und zwar nicht zur Jagd, weil man da Zelte mitgebracht haben würde, die jetzt aber fehlten, sondern es handelte sich um einen Kriegszug, denn alle Gesichter waren mit Kriegsfarben bemalt.
Die Stelle war außerordentlich gut zum Lager geeignet. Sie bildete ein Dreieck, welches an zwei Seiten von den beiden Flüssen eingefaßt und beschützt wurde und also nur von der dritten Seite angegriffen werden konnte. Gras gab es mehr als genug, Bäume und Sträucher auch, und an Wasser war nun vollends gar kein Mangel.
An langen Riemen, welche von Baum zu Baum gezogen worden waren, hingen lange, dünn geschnittene Fleischstücke zum Trocknen, der notwendige Proviant für den beabsichtigten Kriegszug. Die Roten lagen entweder unbeschäftigt im Gras oder sie badeten in einem der Flüsse. Andre dressierten ihre Pferde und noch andre übten sich im Gebrauch ihrer Waffen.
In der Mitte des Lagers stand eine Hütte, welche aus Strauchwerk errichtet worden war. Eine lange Lanze, welche neben der Tür in der Ecke steckte, war mit drei Adlerfedern geschmückt; die Hütte war also die Wohnung des Nitsas-Ini, des obersten Häuptlings des Navajovolkes. Er befand sich nicht im Innern, sondern saß vor derselben. Er war wohl noch nicht ganz fünfzig Jahre alt, von kräftiger, ebenmäßiger Gestalt und hatte, was wohl auffallen mußte, sein Gesicht nicht mit Farbe bestrichen. Daher waren die Züge desselben deutlich zu sehen. Man konnte das Resultat einer Betrachtung dieser Züge in das eine Wort zusammenfassen: edel. In seinem Blick lag eine ungewöhnliche Intelligenz, eine Ruhe und Klarheit, welche man an Indianern sonst nicht zu beobachten pflegt. Er machte keineswegs den Eindruck eines wilden oder auch nur halbwilden Menschen. Wenn man nach der Ursache davon suchte, so brauchte man nur auf die Person zu blicken, welche an seiner Seite saß und sich mit ihm unterhielt – eine Squaw.
Das war unerhört! Eine Squaw im Kriegslager, und noch dazu an der Seite des Häuptlings! Man weiß ja, daß selbst die geliebteste Indianerfrau es nicht wagen darf, öffentlich an der Seite ihres Mannes zu sitzen, falls derselbe eine nur einigermaßen hervorragende Stellung einnimmt. Und hier handelte es sich um den obersten Häuptling eines Stammes, welcher noch heutigentags imstande ist, fünftausend Krieger zusammenzubringen. Aber diese Frau war keine indianische Squaw, sondern eine Weiße, ja sogar eine Weiße von deutscher Abstammung; sie war – kurz sei es gesagt, Schi-Sos Mutter, welche den Häuptling der Navajos zum Mann genommen und einen glücklichen, bildenden Einfluß über ihn gewonnen hatte, wie schon früher einmal erwähnt worden ist.
Vor diesen beiden
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