10 - Der Ölprinz
die Spuren sehen und ihnen folgen.“
„Aber der Vorschprung, den die Kerls dann haben!“
„Den holen wir wohl ein. Es ist dann ganz leicht, sie festzunehmen, weil sie sich nicht verteidigen können; sie haben nur das Federmesser, welches unser pfiffiger Herr Kantor ihnen geborgt hat, und das ist doch wohl nicht als eine sehr furchtbare und gefährliche Waffe zu betrachten.“
Alle sahen ein, daß er recht hatte, und auch Frank gestand dies zu. Nach einiger Zeit hörte man wieder den Hufschlag von Pferden; dann war es still. Die Indianer kamen resultatlos von der Verfolgung zurück, denn wenn sie die Flüchtlinge ergriffen gehabt hätten, wären sie jedenfalls sehr laut gewesen.
Da es voraussichtlich morgen einen anstrengenden Tag gab, mußte sich die Gesellschaft wieder schlafen legen; Winnetou und Old Shatterhand aber blieben wach, um die Nijoras zu beobachten, da ein Versuch ihrerseits, ihren gefangenen Häuptling zu befreien, doch immerhin möglich war. Aber sie blieben während der ganzen Nacht ruhig und als es Morgen wurde und die Schläfer erwachten, sah man sie drüben am Ufer des Flusses sitzen; sie waren wahrscheinlich alle munter geblieben.
Bis jetzt hatte niemand ein Wort mit Mokaschi gesprochen, und auch er hatte den Mund nicht geöffnet; ja, er hatte so still und unbeweglich gelegen, als ob Old Shatterhands Hieb ihn getötet habe. Aber er lebte und blickte mit sehr scharfen Augen um sich her; es war Zeit, ihm zu sagen, was man von ihm verlangte. Darum wollte Old Shatterhand das Wort nehmen. Winnetou erriet dies, bat ihn durch einen Wink zu schweigen, und wendete sich, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, selbst an den Häuptling Mokaschi: „Der Häuptling der Nijoras ist ein starker Mann, ein großer Jäger und ein sehr tapferer Krieger; er hat die stärksten Büffel mit einem einzigen Pfeil getötet; darum wird er Mokaschi genannt. Ich möchte gern als sein Freund und Bruder zu ihm sprechen und bitte ihn, mir zu sagen, wer ich bin!“
Das war scheinbar eine sonderbare Aufforderung, doch hatte sie ihren guten Grund und Zweck; das mochte Mokaschi denken, und darum antwortete er bereitwillig: „Du bist Winnetou, der Häuptling der Apachen.“
„Du hast ganz richtig gesprochen. Warum hast du nicht einen besonderen Stamm der Apachen genannt, zu dem ich gehöre?“
„Weil alle Stämme dieses großen Volkes dich als Häuptling anerkennen.“
„So ist es. Weißt du, zu welchem Volk der Stamm der Navajos gehört?“
„Sie sind Apachen.“
„Und was sind die Nijoras, die dich ihren Häuptling nennen?“
„Auch Apachen.“
„Dein Mund sagt die Wahrheit. Wenn aber diese ebenso wie jene zu dem großen Volk der Apachen gehören, so sind sie Brüder. Hat ein Vater mehrere Kinder, so sollen sie sich lieben und einander beistehen in jeder Sorge, Not und Gefahr, aber sich nicht zanken oder gar bekämpfen. Da unten im Südosten wohnen die Komanchen, die Todfeinde der Apachen; ihre Krieger ziehen alljährlich aus, die Apachen zu bekämpfen; darum sollten unsre Stämme fest zusammenhalten gegen diese Diebe und Mörder. Aber sie tun dies nicht; vielmehr entzweien sie sich untereinander, reiben sich gegenseitig auf und sind dann zu schwach, wenn es gilt, den gemeinsamen Feind zurückzuweisen. Wenn meine Seele daran denkt, wird mir mein Herz schwer von Sorgen wie ein Fels, der nicht von dannen zu wälzen ist. Die Nijoras und die Navajos nennen mich einen Häuptling der Apachen; sie sind auch Apachen; darum sollten ihre Ohren auf die Worte meines Mundes hören. Du hast mich und meine weißen Brüder gefangengenommen, obgleich wir euch nichts getan haben und obwohl ich eines Stammes und Volkes mit dir bin. Kannst du mir einen Grund angeben, den ich anerkennen muß?“
„Ja.“
„Welchen?“
„Dein Herz hängt mehr an den Navajos als an meinem Stamm.“
„Du irrst. Ich bin euer aller Bruder.“
„Aber deine Seele gehört den Bleichgesichtern, welche unsre Feinde sind.“
„Auch das ist ein Irrtum. Ich liebe alle Menschen, gleichviel ob sie eine rote oder eine bleiche Farbe haben, wenn sie das Gute tun. Und ich bin der Feind aller bösen Menschen, ohne zu fragen, ob sie Indianer oder Weiße sind. Das Beil des Krieges ist ausgegraben und nun zieht der Bruder gegen den Bruder, um sein Blut zu vergießen; das ist nicht gut, sondern bös, und darum bin ich heute nicht euer Freund. Doch dürft ihr auch nicht meinen, daß ich euer Feind sei. Ich helfe weder euch noch den Navajos, sondern ich
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