10 - Der Ölprinz
Federlesen gemacht. Mit ihm werden wir viel eher fertig, als mit jedem andern. Also, einen Entschluß gefaßt! Was tun wir jetzt?“
„Warten wir hier? Oder reiten wir weiter, den vereinigten Weißen und Roten nach?“
„Wir folgen ihnen.“
„Aber mit doppelter Vorsicht!“
„Das wird gar nicht sehr nötig sein. Sie haben uns Späher entgegengeschickt und ahnen nicht, daß wir diese Kerls erschossen haben. Sie wissen uns also unter Aufsicht und werden denken, daß sie von den Kundschaftern Nachricht erhalten, ehe wir kommen. Wir können also frisch weiterreiten, ohne uns viel umzusehen.“
Sie stiegen wieder auf, nahmen die beiden erbeuteten Pferde am Leitzügel und ritten weiter, den Spuren der Navajos und der Weißen nach.
Es kam so, wie sie es sich gedacht hatten: ihr Ritt ging glatt vonstatten, und niemand stellte sich ihnen in den Weg. Es ging immer auf dem hohen Ufer des Flusses in der Nähe des Baum- und Strauchsaumes hin, und die Fährte, welcher sie folgten, blieb sich immer gleich, bis sie an eine Stelle kamen, an welcher sie bedeutend breiter und viel ausgetretener war. Das mußte einen Grund haben. Sie hielten also an und stiegen ab, um die Spuren hier zu untersuchen. Sie befanden sich an dem Ort, an welchem Schi-so im Gebüsch gestern abend mit den Pferden auf Old Shatterhand und Winnetou gewartet hatte und wo der Apache heut früh die vereinigten Weißen und Roten hatte empfangen wollen.
„Hier haben die Kerle längere Zeit gehalten“, sagte Buttler. „Das sieht man ganz genau. Die Pferde sind nicht über den Boden fortgelaufen, sondern sie haben dagestanden und ihn zerstampft und sogar mit den Hufen aufgescharrt.“
„Welche Ursache mag da vorgelegen haben?“ meinte der Ölprinz.
„Wer weiß das! Wahrscheinlich erfahren wir es später.“
„Ich möchte es aber schon jetzt wissen. Seht, da führen Spuren von hier grad ins Gebüsch! Wollen einmal sehen, was es da drin gegeben hat!“
Sie ließen ihre Pferde stehen und gingen auf das Gesträuch zu. Da hörten sie eine Stimme in deutscher Sprache rufen: „Zu Hilfe, zu Hilfe! Kommt her, kommt hier herein!“
Sie blieben stehen und horchten.
„Das war nicht englisch“, sagte der Ölprinz.
„Es schien deutsch zu sein; ich verstehe es aber nicht“, meinte Buttler.
„Aber ich verstehe es“, erklärte Poller, der einstige Führer der Auswanderer. „Es ruft jemand um Hilfe und bittet uns, zu ihm hineinzukommen.“
„Das können wir tun, denn wenn jemand unsre Hilfe braucht, da haben wir nichts zu befürchten.“
„Aber wenn es eine Finte ist, wenn wir in eine Falle gelockt werden sollen!“
„Das glaube ich nicht. Kommt nur immer mit!“
Sie folgten den Fuß- und Hufstapfen, die in das Gebüsch führten, und sahen bald zwei gesattelte Pferde, welche im Gesträuch angebunden waren. Sie schienen dem um Hilfe Bittenden so nahe gekommen zu sein, daß er sie sehen konnte, denn er rief jetzt: „Hierher, hierher, Herr Poller! Haben Sie die Güte und schneiden Sie mich los!“
„Er ruft mich; er kennt mich!“ sagte Poller.
„Kommen Sie doch, Herr Poller, kommen Sie schnell!“ rief es wieder.
„Alle Teufel! Wenn ich mich da nicht irre, so ist das die Stimme des verrückten Kantors, der eine Oper von zwölf Akten komponieren will und dabei allerlei Dummheiten macht! Kommt! Da brauchen wir uns freilich nicht zu fürchten.“
„Aber“, meinte der Ölprinz vorsichtig, „er gehört jetzt zu Old Shatterhand und Winnetou, und wer weiß, ob das nicht eine Schlinge ist, in welche wir die Köpfe stecken sollen.“
„Schwerlich, schwerlich! Ich bin vielmehr überzeugt, daß er abermals infolge eines dummen Streiches hier stecken- und zurückgeblieben ist. Kommt nur getrost mit mir weiter.“
Er drang tiefer in das Gebüsch ein, und sie folgten ihm. Da bewahrheitete sich die Vermutung Pollers allerdings, denn sie sahen den Kantor, dem die Hände auf den Rücken und dann an den Stamm eines Baumes festgebunden waren. Man hatte das allerdings in einer Weise getan, daß er sich dabei in einer völlig schmerzlosen und ganz bequemen Lage befand, denn er saß in dem weichen Gras des ebenso weichen Bodens und lehnte mit dem Rücken an dem Baum.
„Sie, Herr Kantor?“ fragte Poller. „Das ist doch sonderbar!“
„Kantor emeritus, wenn ich Sie bitten darf! Es ist sowohl der Vollständigkeit, als auch der Unterscheidung wegen, denn ein Emeritus ist nicht mehr aktiv, Herr Poller.“
„Ihre Lage scheint allerdings eine mehr passive
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