10 - Der Ölprinz
„Sie wollen wohl nicht vorüber. Wie mir scheint, halten sie gerade auf uns zu.“
„Allerdings. Kommt zurück! Wir müssen sie beobachten.“
Sie retirierten eine kleine Strecke und versteckten sich dann so gut, wie die Örtlichkeit es erlaubte. Die beiden Navajos kamen heran, zogen ihre Pferde, nachdem sie abgestiegen waren, in das Gesträuch herein und versteckten sich dann auch in demselben. Die beiden Parteien waren nicht mehr als etwa zehn Schritte voneinander entfernt. Die Indianer waren überzeugt, allein zu sein, und hielten es infolgedessen nicht für nötig, leise miteinander zu sprechen; ihre Worte wurden von den Weißen daher deutlich gehört.
„Ob die Bleichgesichter kommen werden?“ meinte der eine.
„Sie kommen“, sagte er andre. „Sie wollen das Papier holen und werden also nicht zurückbleiben.“
„So gehen sie in den Tod. Folgen sie unsern Kriegern, so werden sie gefangen und gemartert, und folgen sie ihnen nicht, weil sie Verdacht fassen, so erschießen wir sie.“
„Hör ihr es?“ flüsterte der Ölprinz Buttler und Poller zu. „Wir brauchen gar nichts weiter zu hören.“
„Nein; wir wissen genug“, stimmte Buttler bei. „Wie steht's?“
„In die Hölle mit ihnen!“
„Well!Bin dabei. Nehmt die Gewehre und zielt auf die Köpfe!“
Er legte sein Gewehr auch an und zählte: „Eins – zwei – drei!“
Die drei Schüsse krachten. Die Büsche, in denen die Roten steckten, raschelten; es gab ein kurzes Röcheln und Stöhnen; dann war es still. Die Weißen verließen ihr Versteck und gingen hinüber; die Roten lagen, beide durch die Köpfe geschossen, tot in dem Gesträuch.
„So!“ lachte der Ölprinz. „Die folgen uns nun nicht nach und schießen uns auch nicht nieder. Sie mögen hier für die Geier und Wölfe liegen bleiben.“ Poller nickte zustimmend, und auch Buttler hatte nichts einzuwenden. Sie wandten sich, um zu ihren Pferden zurückzukehren, da blieb Buttler aber plötzlich stehen und meinte:
„Wartet noch, was wir von ihren Sachen brauchen können, wollen wir doch mitnehmen.“
Die drei Banditen plünderten die Toten aus, deren Gewehre und Munition ihnen besonders willkommen war. Natürlich nahmen sie die Indianerpferde auch mit, die ihnen große Erleichterung bieten konnten. Wenn man als Flüchtling die Pferde wechseln kann, kommt man schneller vorwärts als mit nur einem Gaul. Zu ihrer Freude fanden sie in den Satteltaschen einen beträchtlichen Vorrat von Dürrfleisch. Die Roten hatten sich damit versehen, weil sie auf eine längere Abwesenheit von den Ihrigen gefaßt sein mußten.
Nun setzten die drei Mörder, jetzt mit fünf Pferden, ihren Weg fort. Sie brauchten nicht mehr so vorsichtig zu sein, denn jetzt war kein Hinterhalt mehr zu erwarten, und so ließen sie ihre Tiere tüchtig ausgreifen, bis sie den Ort am Ufer erreichten, wo die Navajos während der Nacht gelagert hatten. Sie stiegen ab, um denselben zu untersuchen, fanden aber nichts, was sie besonders interessieren konnte, als die Spuren davon, daß die Roten heute früh am diesseitigen Ufer weiter aufwärts geritten seien.
Sie folgten dieser Fährte und erreichten nach einer Viertelstunde die Stelle, an welcher die Navajos über den Fluß gesetzt waren. Sie taten dasselbe und fanden drüben die deutlichen Eindrücke des Lagers der Weißen. Da stiegen sie wieder von den Pferden, um diesem Platz ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Sie waren alle drei im Leben und in den Vorkommnissen des Westens erfahren, und so kam es, daß sie sich in Beziehung auf das, was hier stattgefunden hatte, nicht täuschten, wenn sie auch die näheren Umstände unmöglich wissen konnten.
„Hier hat es auch ein Lager gegeben“, sagte der Ölprinz. „Wißt ihr, wer dagewesen ist?“
„Natürlich Old Shatterhand mit seinen Leuten“, antwortete Buttler. „Es kann gar niemand anders gewesen sein. Schaut da zu den Büschen hinaus! Ihre Fährte geht am hohen Ufer hin nach Westen.“
„Ja; die Navajos sind über den Fluß herübergekommen und zu ihnen gestoßen. Sie haben sich mit ihnen vereinigt und sind nun alle hinter den Nijoras her. Das gibt –“
Er hielt in seiner Rede inne. Man sah ihm an, daß er erschrocken war.
„Was ist's?“ fragte Buttler.
„Alle tausend Teufel!“
„Was denn?“
„Da kommt mir ein Gedanke, ein armseliger, miserabler Gedanke!“
„Welcher?“
„Wenn es so ist, wie ich denke, so können wir uns nur gleich aufmachen und fortreiten wie alte Hunde, welche Prügel und
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