10 - Der Ölprinz
einen schmalen Riß im Felsen des Ufers, der mit Gesträuch überwachsen sei. Da hinein wollte er sich verstecken.“
„Gut, wir werden den Riß leicht finden; nur muß ich vorher hier meinen Gefährten sagen, um was es sich handelt, und sie fragen, ob sie damit einverstanden sind.“
Er übersetzte ihnen den Inhalt des Gespräches. Sie hätten gar zu gern den Kantor auslachen mögen, hatten aber keine Zeit dazu vor Freude darüber, daß es ihnen so unerwartet gelingen solle, wieder zu der Anweisung zu kommen. Sie hatten auch ganz und gar nichts dagegen, daß der Bankier an des Kantors Stelle angebunden werden solle, denn dem letzteren mußten sie dankbar sein, während sie dem ersteren gern alles Böse gönnten.
Die drei entfernten sich also für kurze Zeit, um nach dem Riß zu suchen; sie fanden ihn unschwer in nicht zu großer Entfernung von dem Baum, an welchem der Kantor hing. Als sie das Gezweig, welches ihn bedeckte, zur Seite schoben, sahen sie Rollins, der mit eng zusammengeschmiegtem Körper in der Spalte steckte. Sie hatten ihre Messer in den Händen, und der Ölprinz sagte in höhnischem Ton: „Hallo, Mr. Rollins, was tut Ihr in dieser Felsenöffnung? Sucht Ihr vielleicht eine Petroleumquelle da?“
Der Bankier erschrak, als er die drei erkannte. Daß sie die drei Reiter seien, die er gesehen hatte, das hatte er nicht gedacht. Er mußte sich natürlich sagen, daß von diesen Leuten für ihn nichts Gutes zu erwarten sei. Er war kein Held, hätte sich aber gegen einen doch verteidigt; hier standen drei vor ihm, mit Messern in den Händen; er sah ein, daß eine Gegenwehr seine Lage nur verschlimmern könne.
„Seid doch so gut und kommt heraus!“ forderte ihn der Ölprinz auf. „Ihr versäumt ja ganz und gar die Pflicht, zu der Ihr berufen worden seid!“
„Pflicht?“ antwortete er, indem er sich ängstlich und verlegen aus der Spalte hervormachte.
„Ja, Sir. Ihr sollt doch Euern guten Freund, den Kantor, bewachen. Warum seid Ihr davongelaufen?“
„Ich sah drei Reiter kommen, wußte aber nicht, daß ihr es waret.“
„So! Ihr wäret also, wenn Ihr uns erkannt hättet, nicht geflohen?“
„Nein.“
„Freut mich, daß Ihr so große Freundschaft für uns und so großes Vertrauen zu uns hegt! Da Ihr nun wißt, daß wir es sind, so werdet Ihr wohl mit uns zu dem Kantor zurückkehren. Also kommt!“
Sie nahmen ihn in die Mitte und brachten ihn zu dem Baum. Dort nahm ihm der Ölprinz die beiden Revolver und die Munition ab und sagte: „Ihr steht unter einem mächtigen Schutz und braucht keine Waffen, während wir verteufelt schlecht bewaffnet sind. Ihr werdet uns also gewiß gern aushelfen. Und nun muß ich Euch etwas recht Lustiges sagen. Ihr habt dem Kantor auf all seine Bitten nicht den Gefallen getan, ihn loszubinden – – –“
„Das ist mir verboten worden!“ fiel er rasch ein.
„Geht uns nichts an! Er ist natürlich sehr aufgebracht darüber und wünscht, Euch einmal fühlen zu lassen, wie es ist, wenn man an einem Baum hängt. Wir sind gutmütiger als Ihr und werden ihm diesen sehr bescheidenen Wunsch erfüllen.“
„Was meint ihr?“ stotterte er ängstlich hervor. „Was soll das heißen? Wollt ihr etwa – – –?!“
„Euch anbinden? Ja.“
„Hört, das dulde ich nicht, Mesch'schurs!“
Er richtete sich möglichst stramm auf und gab sich Mühe, martialisch auszusehen. Da klopfte der Ölprinz ihm auf die Achsel und sagte lachend: „Blast Euch nicht unnötig auf, Sir! Wir kennen Euch doch genau! Wir werden Euch anbinden. Wehrt Ihr Euch dagegen, so brauchen wir Gewalt, und Ihr kennt uns gut genug, um zu wissen, daß Ihr dann nicht wohl mit heiler Haut davonkommen werdet. Laßt Ihr es Euch aber gefallen, so reiten wir dann weiter, ohne uns ferner um Euch zu kümmern. Wir wollen dem Kantor den Willen tun, weiter nichts. Wenn wir dann fort sind, kann er Euch wieder losmachen. Also, was sagt Ihr zu der Sache?“
Er nahm eine drohende Haltung an und spielte mit seinem Messer. Buttler und Poller folgten diesem seinem Beispiel. Dem Bankier wurde es himmelangst. Daß er von diesen Leuten keine Schonung zu erwarten habe, das wußte er. Sein Stolz fühlte sich beleidigt; er, der Bankier, der Gentleman, sollte sich vor diesen Mördern und Betrügern demütigen; das ging ihm gegen den Strich, doch dachte er mit keinem Gedanken daran, sich zu weigern und ihnen Widerstand zu leisten. Am besten war es, klug zu sein und ihnen den Willen zu tun. Sie wollten ihn ja nur
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