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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es doch.“
    „Dieser nicht. Er hat es zwischen das Futter seines Rockkragens geschoben. Dort sucht es niemand.“
    „Das hat er allerdings schlau angefangen. Aber ich sehe ihn doch nicht. Wo ist er denn?“
    „Fort. Er saß drüben am Rand des Gebüsches und sah Sie kommen. Da bekam er Angst und versteckte sich.“
    „Erkannte er uns denn?“
    „Nein. Sie waren zu weit entfernt. Aber da Sie von dieser Seite kamen und also nicht zu unsern Freunden gehören konnten, hielt er Sie für Feinde, denen man nicht trauen darf. Er wollte sich lieber gar nicht sehen lassen.“
    „So ist er also fort, und Ihnen ist sein Versteck unbekannt?“
    „O, ich kenne es!“
    „So sagen Sie es uns, damit wir ihn holen und ihm beweisen können, daß wir es gut mit ihm und Ihnen meinen!“
    „Gut meinen?“ antwortete der Kantor mit dem Bestreben, seinem Gesicht einen pfiffigen, besserwissenden Ausdruck zu geben. „Da denken Sie wohl gar, daß ich Ihren Worten glaube, verehrter Herr Poller?“
    „Natürlich.“
    „Fällt mir gar nicht ein. Uns Jüngern der Wissenschaft macht man nicht so leicht etwas weiß.“
    „Das ist gar nicht meine Absicht. Was ich sage, das ist wahr: ich meine es gut mit ihm und mit Ihnen.“
    „Vielleicht mit mir, aber nicht mit ihm!“
    „Warum?“
    „Weil Sie schlecht an ihm gehandelt haben.“
    „Das bildet er sich nur ein.“
    „Nein. Das mit der Petroleumquelle ist nicht wahr gewesen. Sie haben ihn um das viele Geld bringen wollen.“
    „Unsinn! Wenn er den See genau untersucht, so wird er finden, daß die Quelle wirklich vorhanden ist. Er versteht aber nichts davon und hat sich von andern Leuten gegen uns einnehmen lassen. Wie ehrlich wir sind, können Sie daraus ersehen, daß wir dem Wolf die Quittung gegeben haben, als wir bei den Navajos waren.“
    „Hat er sie Ihnen denn nicht abgenommen?“
    „Nein. Ein so wertvolles Papier läßt man sich nicht abnehmen. Er hat doch gar nicht gewußt, daß wir es hatten, also müssen wir es ihm doch gesagt haben.“
    „Das stimmt allerdings.“
    „Darum möchten wir jetzt gern einmal mit ihm sprechen und ihm sagen, was er zu tun hat, wenn er sich je noch in den Besitz der Quelle setzen und ein reicher Mann werden will. Also, wo steckt er?“
    „Hm, ich weiß noch nicht recht, ob ich es sagen soll.“
    „So behalten Sie es für sich! Uns kann es ja gleich sein. Aber ich dachte, es würde Ihnen Spaß machen, wenn wir ihn an Ihrer Stelle anbänden.“
    „Ja, es würde mir Spaß machen, ungeheuren Spaß! Er hätte es verdient, weil er für meine Bitten nur taube Ohren hatte.“
    „Und Sie würden dann aus Ihrer Lage befreit!“
    „Sonst nicht?“
    „Nein.“
    „Aber ich habe Sie doch auch befreit, als ich Ihnen mein Federmesser gab! Es würde höchst undankbar von Ihnen sein, wenn Sie mich hier hängen ließen.“
    „Das sind zwei sehr verschiedene Fälle. Bei uns handelt es sich um das Leben. Wir waren von den Feinden gefesselt worden. Bei Ihnen handelt es sich nur um eine jedenfalls sehr begründete Vorsichtsmaßregel, und Sie sind von Ihren Freunden hier angebunden worden. Wenn ich Sie dadurch von Feinden befreien und vom Tod erretten könnte, würde ich Sie sofort abbinden, so aber werde ich mich hüten, etwas gegen den Willen Old Shatterhands zu tun. Höchstens täte ich es, um den Bankier an Ihre Stelle zu setzen und ihn also für die Grausamkeit zu bestrafen, welche er Ihnen gegenüber gezeigt hat.“
    „Ja, grausam war es, außerordentlich grausam!“
    „Und bedenken Sie, welche Szene das für Ihre Oper ergeben würde! Der, welchen Sie vergeblich angefleht haben, muß dann Sie bitten, ihn loszumachen! Das ist die alles bestrafende Gerechtigkeit, auf welche es bei jedem Theaterstück doch am meisten ankommt.“
    „Ja, ja, da haben Sie recht!“ rief der Kantor wie elektrisiert. „Eine Szene für meine Oper, eine prächtige, eine herrliche Szene! Erst flehe ich ihn an; das gibt eine Gnadenarie für Bariton. Er verweigert mir die Erfüllung meiner Bitte im zweiten Baß. Dann wird der Bariton frei und der zweite Baß wird angebunden. Das gibt wieder eine Gnadenarie, auf welche dann ein großes Duett für zweiten Baß und Bariton folgt. Das macht Effekt; das macht Effekt, ungeheuren Effekt! Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, daß Sie mich hierauf aufmerksam gemacht haben.“
    „Soll ich also den Bankier holen und an Ihrer Stelle anbinden?“
    „Ja, holen Sie ihn!“
    „Wo ist er aber?“
    „Er sagte, es gebe hier hinter uns

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