Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
anbinden und dann fortgehen. Darum zwang er seinen Grimm hinunter und sagte in einem Ton, als ob es ihm gar nicht schwer falle, auf den Scherz einzugehen: „Was ich dazu sage? Nichts. Ob ich da an diesem Baum sitze oder anderswo, das ist mir gleich. Wenn es euch Spaß macht, diesem verrückten Menschen seinen noch verrückteren Wunsch zu erfüllen, so tut es. Mir fällt es nicht ein, mich deshalb mit euch herumzubalgen.“
    „Das ist sehr verständig, höchst verständig von Euch“, grinste ihn der Ölprinz an. „Es ist allerdings eine ganz und gar verrückte Idee von ihm. Er hat sich über Euch geärgert und will Euch zur Strafe dafür am Baum sehen; das ist die Sache. Wir haben versprochen, ihm den Willen zu tun, und wenn wir es tun, so geschieht es nur der Form wegen und für ganz kurze Zeit. Mag also jetzt der Spaß beginnen!“
    Er band den Kantor los. Rollins trat an den Baum, hielt seine Hände hin und sagte: „Da, macht euch das billige Vergnügen, Mesch'schurs!“
    Er hatte natürlich geglaubt, daß man ihn ebenso leicht binden werde, wie der Kantor gebunden gewesen war; aber er sollte sofort einsehen, wie groß sein Irrtum gewesen war. Poller ergriff ihn beim rechten und Buttler beim linken Arm. Sie rissen ihn mit einem so rücksichtslosen Ruck mit dem Rücken an den Baum, daß er laut aufschrie, und legten seine Arme rückwärts an den Stamm. Während sie sie da festhielten, band ihm der Ölprinz die Hände zusammen und antwortete: „Ja, Mr. Rollins, das billige Vergnügen beginnt; aber Euch kann es leicht sehr teuer zu stehen kommen.“
    „Thunder-storm!“fluchte der Bankier. „Was fällt euch denn ein? So haben wir nicht gewettet!“
    „Ihr nicht, aber wir!“
    „Ihr renkt mir ja alle Glieder aus!“
    „Kann Euch gar nichts schaden; aber es wird gar nicht lange dauern. Wartet nur einen Augenblick und haltet den Kopf still, sonst schneide ich Euch die Ohren mit herunter!“
    Er trennte ihm, der sich nun nicht zu wehren vermochte, auch wenn er es gewollt hätte, mit zwei, drei raschen Messerschnitten den Kragen vom Rock.
    „Sir, was tut Ihr da hinter mir?“ fuhr Rollins auf. „Ich glaube gar, Ihr schneidet an mir herum!“
    „Ja, das tue ich allerdings“, lachte der Ölprinz, „aber es geht Euch nicht an das Leben, sondern nur einstweilen an den Kragen.“
    Er trat vor ihn hin und hielt ihm den abgeschnittenen Teil des Rockes vor das Gesicht.
    „Mein – mein – mein Kragen!“ schrie der Bankier auf, indem ihm alles Blut aus dem Gesicht wich.
    „Kragen? O nein! Ihr haltet das für einen Rockkragen? Das ist ein großer Irrtum von Euch. Ich sage Euch, daß ich hier eine ganz neumodische Tasche für Wertpapiere in meinen Händen halte.“
    „Tasche – Wertpapiere – – –“ stammelte der Getäuschte. „Was – was – was meint Ihr damit?“
    „Werde es Euch augenblicklich zeigen.“
    Er griff zwischen das Futter des Kragens, zog ein Papier hervor, faltete es auseinander, warf einen Blick darauf, hielt es dann dem Bankier vor das Gesicht und fuhr in triumphierendem Ton fort: „Hier ist der Inhalt dieser prächtigen Tasche. Hoffentlich kennt Ihr das Papier. Es sollte für Euch ein Andenken sein, aber ich denke, daß ich es weit besser in Ehren zu halten verstehe als Ihr. So eine Schrift steckt man doch nicht in den Rockkragen, sondern man schafft sie hinunter nach Frisco, um sie dort mit gutem, klingendem Gold zu vertauschen.“
    „Ihr seid ein Schurke, ein Räuber, ein – ein – ein –“
    Die Wut erstickte seine Stimme, so daß er kein Wort weiter hervorbrachte. Seine Lippen färbten sich blau und seine Augen wollten aus ihren Höhlen treten. Er wollte sich von dem Baum losreißen; dabei schnitt ihm aber der Riemen so in das Fleisch, daß er einen gellenden Schmerzensschrei ausstieß.
    „Seid still; beruhigt Euch!“ hohnlachte der Ölprinz. „Ich nehme mir nur zurück, was man mir unrechtmäßigerweise vorenthalten hat. Ihr seid überlistet, Sir. Gebt Euch keine Mühe, ohne Hilfe vom Baum loszukommen; Ihr verursacht Euch dadurch nur Schmerzen.“
    Rollins konnte nur mit einem ohnmächtigen Zähneknirschen antworten. Der Kantor war bis jetzt ein stiller Zeuge des Vorganges gewesen; jetzt hielt er es für geraten, sich ins Mittel zu legen. Er sagte in seinem höflichsten Ton: „Meine verehrtesten Herren, ich muß Sie unbedingt bitten, mir zu sagen, warum Sie diesem Herrn den Kragen vom Rock geschnitten haben!“
    „Weil er nicht an den Rock gehört“,

Weitere Kostenlose Bücher