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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kommen würde? Aber statt seiner kam ein fremder Mann, der Sie nicht sah, und stolperte über Sie weg!“
    „Oh, er stolperte nicht nur, sondern er stürzte wirklich hin, lang über mich hinweg. Im nächsten Augenblick hatte er mich beim Hals, gerade so, wie man eine Violine bei dem Hals faßt.“
    „Dann gab es ein Duett!“
    „Eigentlich kein Duett; wir sprachen nur ein wenig miteinander.“
    „Sie deutsch, er englisch, und keiner verstand den andern!“
    „Das ist kein Wunder. Wer mich verstehen will, darf mir doch nicht den Hals zusammenpressen. Das konnte er sich denken! Übrigens benutzte ich die Gelegenheit, als er mich einmal locker ließ, ihn und den Ort zu verlassen.“
    „Wohl auch allegro oder allegrissimo ?“
    „Es war schon mehr con fretta , denn ich hatte ihn im Verdacht, mich abermals fesseln zu wollen.“
    „Das wollte er allerdings, und noch viel mehr als das! Wissen Sie, wer er war?“
    „Nein; es gab im Laufe der kurzen Unterredung keine Gelegenheit, uns einander vorzustellen.“
    „Das glaube ich wohl. Es war überhaupt nicht auf solche Höflichkeiten, sondern auf Ihr Leben abgesehen.“
    „Auf mein Leben?“ fragte der Kantor sehr erstaunt.
    „Allerdings. Der Mann, welcher über Sie hinwegtrillerte, gehörte zu den Finders, welche uns überfallen und ermorden wollen.“
    „Sollte man dies glauben!“
    „Viel leichter zu glauben als zu bezweifeln. Sie wußten, daß die Feinde sich da drüben befinden, und liefen trotzdem hinaus und nach dieser Richtung hin. Sie scheinen nicht recht bei Sinnen gewesen zu sein, wenn ich mich nicht irre. Welcher vernünftige Mensch begibt sich in eine so offenbar drohende Gefahr!“
    „Gefahr? Sie irren. Ich habe schon wiederholt das Vergnügen, Ihnen zu erklären, daß es für den Sohn der Musen keine Gefahr gibt außer der einzigen, daß seine Werke nicht anerkannt werden. Andere Fährlichkeiten existieren nicht.“
    „Also, wenn ein offenbarer Mörder geradezu über Sie wegstolpert und Sie bei der Gurgel faßt, um Sie zu erdrosseln, so ist das keine Gefahr für Sie?“
    „Nein. Sie haben ja den Beweis, lieber Herr; er hat mich gehen lassen und ist auch selbst gegangen. Über mir schwebt eben ein Genius, welcher über mich wacht und mich vor jedem Unglück bewahrt.“
    „Wenn dieser Glaube Sie glücklich macht, so mögen Sie ihn meinetwegen behalten, bis Sie einmal erschossen, erschlagen, erstochen und skalpiert werden. Aber aus Rücksicht auf uns sollten Sie vorsichtig sein. Ihre sehnsüchtige Erwartung eines Trillers hat auch uns in Gefahr gebracht. Wir werden in Zukunft nicht nur Ihr Pferd anbinden dürfen.“
    „Etwa auch mich?“
    „Allerdings.“
    „Herr, dagegen muß ich protestieren! Das Genie kennt keine Banden, und wenn man es dennoch schnürt, zerreißt es alle Fesseln. Wie wollen Sie die Töne einer Trompete unterdrücken, wenn sie einmal am Mund sitzt?“
    „Indem ich sie einfach vom Mund wegnehme, wenn ich mich nicht irre. Für jetzt nun verlange ich, daß Sie sich unbedingt ruhig verhalten und da bleiben, wohin ich Sie stelle. Es hängt unser aller Leben davon ab, daß niemand einen Fehler macht.“
    „Wenn dies der Fall ist, werde ich Ihren Anordnungen folgen; Sie können sich darauf verlassen. Sollte es aber doch zum Kampf kommen und jemand dabei sterben, so bin ich gern erbötig, für ihn schnell eine Missa pro defunctis auf beliebigem Text zu komponieren. Ich werde augenblicklich über ein schönes und ergreifendes Thema dazu nachdenken.“
    Das Feuer war bis jetzt noch immer hoch geschürt worden. Nun sollte das Lager verlassen werden. Sam bestimmte, daß nur er, Stone, Parker und die Soldaten sich bei der Überrumpelung der Finders zu beteiligen hätten; die andern sollten der dabei doch drohenden Gefahr nicht ausgesetzt werden. Schmidt, Strauch, Ebersbach und Uhlmann waren damit einverstanden. Frau Rosalie aber erklärte beherzt: „Was, ich soll die Hände in den Schoß legen, wenn andere für mich ihr Leben wagen? Das kann ich nich zugeben, ganz gewiß nicht. Wenn keene Flinte für mich übrig is, da nehme ich eene Hacke oder Schaufel, und wehe dem Urian, der mir zu nahe kommt! In dem Herrn Emeritus seiner Heldenoper müssen doch ooch Damen ufftreten, und ich will die erschte sein, die erscheint. Also sagt mir nur den Ort, wo ich mich hinzuschtellen hab'. Ich werde meine Sache machen; ausreißen tu ich sicher nich!“
    Es kostete nicht wenig Mühe, ihr begreiflich zu machen, daß ihre Beteiligung nicht nur nichts

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