10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
die Gebete, die man ihr als Mädchen beigebracht hatte, fielen Cersei in der Zelle wieder ein, und sie erfand neue, ganz so, wie sie sie brauchte. Sie rief die Mutter und die Jungfrau an, den Vater und den Krieger, das Alte Weib und den Schmied. Selbst zum Fremden betete sie. Im Sturm ist jeder Gott gut. Die Sieben erwiesen sich als genauso taub wie ihre irdischen Dienerinnen. Cersei gab ihnen all die Worte, die sie in sich fand, gab ihnen alles außer Tränen. Meine Tränen werden sie niemals bekommen, versprach sie sich.
Sie hasste das Gefühl von Schwäche.
Wenn die Götter ihr die Körperkraft gegeben hätten, mit der sie Jaime und diesen saufenden Dummkopf Robert ausgestattet hatten, hätte sie fliehen können. Oh, wenn ich doch nur ein Schwert hätte, und die Fähigkeit, es zu schwingen. Sie hatte das Herz eines Kriegers, doch die Götter in ihrer blinden Bosheit hatten ihr den schwachen Körper einer Frau beschert. Die Königin hatte schon zu Anfang versucht, sich einen Weg in die Freiheit zu erkämpfen, doch die Septas hatten sie überwältigt. Es waren zu viele, und sie waren stärker, als sie aussahen. Hässliche alte Frauen alle miteinander, doch nachdem sie so viel gebetet und geschrubbt und Novizinnen mit Stöcken geschlagen hatten, waren sie zäh wie Wurzeln geworden.
Und sie ließen ihr keine Ruhe. Ob Tag oder Nacht, wann immer die Königin ihre Augen zum Schlafen schloss, kam eine ihrer Kerkermeisterinnen herein, weckte sie und verlangte, dass sie ihre Sünden beichtete. Sie wurde des Ehebruchs, der Unzucht, des Hochverrats und sogar des Mordes beschuldigt, denn Osney Kettleblack hatte gestanden, den letzten Hohen Septon auf ihren Befehl hin erstickt zu haben. »Ich bin gekommen, damit Ihr mir von Eurer Unzucht und all Euren Morden erzählen könnt«, knurrte Septa Unella in der Regel, nachdem sie die Königin wachgerüttelt hatte. Septa Moelle behauptete, es wären ihre Sünden, die sie nicht schlafen ließen. »Nur die Unschuldigen kennen den Frieden ungetrübten Schlafes. Beichtet Eure Sünden, und Ihr werdet schlafen wie ein neugeborenes Kind.«
Aufwachen und Schlafen und wieder Aufwachen, so wurde jede Nacht von den rauen Händen ihrer Peiniger in Stücke gerissen, und jede Nacht war kälter und unbarmherziger als die vorherige. Die Stunde der Eule, die Stunde des Wolfes, die Stunde der Nachtigall, Mondaufgang und Monduntergang, Nachteinbruch und Morgengrauen zogen taumelnd vorbei wie Betrunkene. Welche Stunde war es? Welcher Tag war es? Wo war sie? War das nur ein Traum, oder war sie wach? Die kleinen Bruchstücke aus Schlaf, die man ihr gestattete, raubten ihr nach und nach den Verstand. Jeden Tag fühlte sie sich benommener als am Tag zuvor. Sie war erschöpft und fiebrig. Dazu hatte sie vollkommen den Überblick verloren, wie lange sie schon in dieser Zelle eingesperrt war, hoch oben in einem der sieben Türme der Großen Septe von Baelor. Ich werde hier alt werden und sterben, dachte sie verzweifelt.
Cersei durfte das nicht zulassen. Ihr Sohn brauchte sie. Das Reich brauchte sie. Sie musste sich befreien, gleichgültig, wie groß das Risiko auch sein mochte. Ihre Welt war zu einer Zelle von zwei Meter auf zwei Meter zusammengeschrumpft, dazu gab es einen Nachttopf, eine klumpige Matratze und eine braune dünne kratzige Wolldecke, so dünn wie die Hoffnung, aber sie war immer noch Lord Tywins Erbin, eine Tochter des Steins.
Erschöpft durch den Schlafmangel und zitternd von der Kälte, die jede Nacht in die Turmzelle kroch, abwechselnd hungrig und fiebrig, kam Cersei letztlich zu der Einsicht, dass sie beichten musste.
In dieser Nacht, als Septa Unella kam, um sie aus dem Schlaf zu reißen, fand sie die Königin auf Knien wartend vor. »Ich habe gesündigt«, sagte Cersei. Ihre Zunge lag schwer in ihrem Mund, ihre Lippen waren rau und rissig. »Ich habe die schwersten Sünden auf mich geladen. Das sehe ich jetzt ein. Wie konnte ich nur so lange blind sein? Das Alte Weib ist mit seiner Laterne zu mir gekommen, und in ihrem heiligen Licht habe ich den Weg gesehen, den ich einschlagen muss. Ich möchte wieder rein werden. Ich möchte von meiner Schuld freigesprochen werden. Bitte, gute Septa, ich flehe Euch an, bringt mich zum Hohen Septon, damit ich ihm meine Verbrechen und meine Unzucht beichten kann.«
»Ich werde es ihm mitteilen, Euer Gnaden«, sagte Septa Unella. »Seine Hohe Heiligkeit wird überaus erfreut sein. Nur durch Beichte und ehrliche Reue können unsere unsterblichen
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