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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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worden. Also wandte sie dem fernen Hügel wieder den Rücken zu und verschloss die Ohren vor dem Lied vom Fliegen und von der Freiheit, das der Wind sang, während er über die Steine des Hügels pfiff. Das Bächlein rann nach Südsüdost, soweit sie sagen konnte. Sie folgte ihm. Bring mich zum Fluss, mehr verlange ich nicht von dir. Bring mich zum Fluss, und ich mache den Rest.
    Die Stunden verstrichen langsam. Der Bach schwenkte in diese und in jene Richtung, und Dany folgte ihm, schlug sich mit der Peitsche aufs Bein und versuchte nicht daran zu denken, welche Strecke noch vor ihr lag, wie sehr ihr Kopf dröhnte und wie hungrig sie war. Mach einen Schritt. Und dann den nächsten. Wieder einen. Und noch einen. Was sollte sie sonst tun?
    Auf ihrem Meer herrschte Ruhe. Wenn der Wind wehte, seufzte das Gras, weil die Stängel aneinanderrieben und in einer Sprache flüsterten, die nur die Götter verstanden. Hin und wieder murmelte ihr Bächlein, wenn es um einen Stein herumfloss. Schlamm quatschte zwischen ihren Zehen. Insekten umsurrten sie, träge Drachenfliegen und glänzende grüne Wespen und Stechmücken, die fast zu klein waren, um sie zu sehen. Sie schlug abwesend nach ihnen, wann immer sie auf ihren Armen landeten. Einmal stieß sie auf eine Ratte, die aus dem Bach trank, aber der Nager ergriff sofort die Flucht, als er sie bemerkte, und verschwand im hohen Gras. Manchmal hörte sie Vögel singen. Das Zwitschern brachte ihren Magen zum Knurren, doch sie hatte kein Netz, um sie zu fangen, und bislang hatte sie noch keine Nester gefunden. Einst träumte ich vom Fliegen, dachte sie, und jetzt bin ich geflogen und träume davon, Eier zu stehlen. Darüber musste sie lachen. »Die Menschen sind verrückt, und die Götter sind noch verrückter«, erzählte sie dem Gras, und das Gras stimmte raschelnd zu.
    Dreimal sah sie an diesem Tag Drogon. Einmal war er so weit entfernt, dass er auch ein Adler hätte sein können, der zwischen den fernen Wolken dahinflog, aber Dany kannte ihn inzwischen gut genug, um ihn zu erkennen, selbst wenn er nur ein kleiner Punkt war. Beim zweiten Mal flog er mit ausgebreiteten schwarzen Schwingen vor der Sonne her und verdunkelte die Welt. Beim letzten Mal huschte er direkt über sie hinweg, so dass sie sogar seinen Flügelschlag hören konnte. Einen halben Herzschlag fürchtete Dany, er jage sie, doch er flog weiter, ohne sie zu beachten, und verschwand irgendwo im Osten. Auch gut, dachte sie.
    Der Abend überraschte sie beinahe. Als die Sonne die fernen Türme von Dragonstone in Gold tauchte, stolperte Dany über eine niedrige Steinmauer, die zerfallen und überwuchert war. Vielleicht hatte sie einst zu einem Tempel gehört oder zur Halle eines Dorfoberhauptes. Sie fand noch weitere Ruinen, einen alten Brunnen und einige Kreise im Gras, die die Stellen markierten, wo einst Hütten gestanden hatten. Sie waren aus Lehm und Stroh gebaut gewesen, nahm sie an, und Wind und Regen vieler Jahre hatten sie abgetragen. Dany fand acht, ehe die Sonne unterging, aber vielleicht verbargen sich im Gras noch mehr.
    Die Steinmauer hatte dem Verfall besser standgehalten als der Rest. Sie war zwar kaum einen Meter hoch, aber die Ecke, wo sie auf eine zweite traf, bot immerhin ein wenig Schutz vor den Elementen, und die Nacht senkte sich rasch über das Land. Dany drückte sich in diese Ecke und baute sich eine Art Nest aus dem Gras, das um die Ruine wuchs. Sie war sehr müde, und an beiden Füßen hatten sich frische Blasen gebildet, auch auf ihren kleinen Zehen. Diese Blasen passten sogar zueinander. Es liegt vielleicht an der Art, wie ich gehe, dachte sie kichernd.
    Während die Welt dunkel wurde, machte es sich Dany bequem und schloss die Augen, doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Die Nacht war kalt, der Boden hart und ihr Bauch leer. Sie dachte an Meereen, an Daario, ihren Liebsten, und an Hizdahr, ihren Gemahl, an Irri und Jhiqui und die süße Missandei, an Ser Barristan und Reznak und Skahaz Schurschädel. Ob sie fürchten, dass ich tot bin? Ich bin auf Drogons Rücken davongeflogen. Glauben sie, dass er mich gefressen hat? Sie fragte sich, ob Hizdahr noch König war. Seine Krone leitete sich von ihr ab, konnte er sie in ihrer Abwesenheit behalten? Er wollte Drogon töten lassen. Ich habe es gehört. »Tötet ihn!«, hat er geschrien, »Tötet die Bestie!«, und dabei stand ihm das Vergnügen ins Gesicht geschrieben. Und der Starke Belwas hat auf den Knien gehockt, sich erbrochen und

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