10 - Operation Rainbow
Monaten schon lag sie John in den Ohren deswegen. Dann fielen ihr die Ereignisse von gestern nacht ein.
»John?«
»Ja, mein Liebling?«
»Wer waren sie?«
»Die Kerle im Flieger meinst du?« Er blickte auf. »Weiß nicht genau. Baskische Separatisten vielleicht. Anscheinend waren sie hinter dem spanischen Botschafter her, aber sie haben eine Niete gezogen. Er war gar nicht an Bord, nur seine Frau.«
»Wollten sie das Flugzeug entführen?«
»Davon würd ich mal ausgehen, ja.«
»Ist das nicht schrecklich genug?«
John dachte nach und nickte. »Doch, es ist schrecklich. Aber wären sie Profis gewesen, hätte es schlimmer ausgehen können. Waren sie aber n icht.« Er grinste innerlich. Die haben doch echt den falschen Flieger genommen, Mensch! Doch darüber konnte er jetzt nicht lachen, nicht in Gegenwart seiner Frau, während der Wagen auf der falschen Straßenseite fuhr. Es kam ihm irgendwie grundfalsch vor, dieses Vertauschen der Fahrspur bei - na -130 Stundenkilometer? Verdammt, gab es hier überhaupt ein Tempolimit?
»Und was geschieht jetzt mit ihnen?« bohrte Sandy nach.
»Was das internationale Recht für solche Fälle vorsieht. Die Kanadier schicken sie in die Staaten zurück, wo sie vor den Federal Court gestellt werden. Sie werden angeklagt, verurteilt und wegen Luftpiraterie eingelocht. Man zieht sie für eine geraume Weile aus dem Verkehr.« Und damit hatten sie noch Glück, was Clark nicht laut aussprach. Spanien wäre weit weniger nachsichtig mit ihnen.
»Es ist das erste Mal seit langer Zeit, daß so etwas passiert.«
»Stimmt.« Ihr Mann war der gleichen Meinung. Nur Dummköpfe versuchten noch, Flugzeuge zu entführen. Andererseits waren die Dummen noch keineswegs ausgestorben. Deshalb war er Nummer Six in einer Organisation namens Rainbow.
***
Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht , mit diesen Worten hatte er seine Hausmitteilung begonnen. Wie üblich war sie nicht in bürokratisches Kauderwelsch gekleidet; diesen Jargon hatte Clark nie recht erlernt, trotz seiner dreißig Dienstjahre bei der CIA.
Seit dem Ende der Sowjetunion und anderer Nationalstaaten, die eine gegen die USA und die westlichen Industrienationen gerichtete Politik verfolgten, ist das Ris iko eines großen internationalen Konflikts so gering wie noch nie. Das ist eine Nachricht, wie sie besser nicht sein könnte.
Doch zugleich müssen wir uns der Tatsache stellen, daß sich noch immer zahlreiche kampferfahrene, gut ausgebildete Terrorkommandos weltweit frei bewegen. Einige von ihnen unterhalten nach wie vor Kontakte zu diversen Geheimdiensten. Hinzu kommt, daß manche Staaten, gerade weil sie die direkte Auseinandersetzung mit Amerika oder dem Westen scheuen, zur Erreichung weniger weitgesteckter politischer Ziele jederzeit auf verbliebene »freischaffende Söldner« unter den Terroristen zurückgreifen können.
Mit einiger Sicherheit wird sich dieses Problem noch verschärfen. In jüngster Vergangenheit haben die Großmächte den Terrorismus unter Kontrolle zu halten versucht - durch streng kontrollierten Zugang zu Waffen, Finanzierung, Ausbildung und das Unterhalten von Stützpunkten.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die gegenwärtige Weltlage das »Einvernehmen« der Großmächte ins Gegenteil verkehren. Unterstützung, Waffenlieferungen, Ausbildung und Stützpunkte werden nicht länger mit der - bislang von den Unterstützernationen geforderten - ideologischen Gefolgschaft, sondern mit zunehmenden terroristischen Aktivitäten vergolten.
Die naheliegendste Abwehr dieser - vermutlich - immer größeren Bedrohung dürfte in der Bildung einer neuen Antiterrorismus-Einheit liegen. Ich schlage den Codenamen Rainbow vor. Ferner bin ich dafür, daß die Organisation in Großbritannien angesiedelt wird. Argumente, die dafür sprechen:
- die britische Regierung verfügt über und betreibt den Special Air Service, die weltweit beste - das heißt, erfahrenste - Eingreiftruppe;
- im internationalen Flugverkehr ist London die Stadt mit der verkehrsgünstigsten Lage; außerdem unterhält der SAS ausgezeichnete Verbindungen zu British Airways;
- die gesetzlichen Bestimmungen sind hier besonders günstig; beispielsweise sind Restriktionen für die Medienberichterstattung nach britischem Recht möglich, nach amerikanischem n icht;
- die langfristigen »besonderen Beziehungen« zwischen den Regierungen Amerikas und Großbritanniens.
Aus all diesen Gründen wäre die im folgenden skizzierte
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