10 - Operation Rainbow
hatte man ihm wie üblich einen sicheren, bequemen Job verschafft, in einer größeren Stadt des NATO-Verbündeten, und gab ihm ein paar V-Leute zu betreuen, allesamt im diplomatischen Dienst bei den Vereinten Nationen. Von denen sammelte er Informationen ein, die er meist auch bekam, aus untergeordneten diplomatischen Kreisen, und gab sie nach Whitehall weiter, zur näheren Begutachtung und Bewertung durch die Unterstaatssekretäre im Außenministerium.
Der muffige Paß aus der Mülltonne war ein ungewöhnlicher Fund. Freilich war es sein Job, solche Fälle zu bearbeiten, wobei er Leuten, denen irgendwie die Papiere in New York abhanden kamen - was nicht gerade selten passierte - Ersatzausweise ausstellen mußte. Für die Betroffenen selbst war das immer ein unangenehmer Vorgang. Williams hatte in der Regel die Kennziffern ihrer Dokumente nach London zu faxen, um die Eigentümer zweifelsfrei zu identifizieren. Von dort wurde bei ihnen daheim angerufen, in der Hoffnung, daß ein Familienmitglied oder ein Bediensteter wußte, ob sich der Inhaber des Passes tatsächlich in New York aufhielt. Das konnte ganz schön lange dauern.
Doch diesmal bekam er schon eine knappe halbe Stunde nach seiner Anfrage einen Rückruf aus Whitehall.
»Peter?«
»Ja, Burt?«
»Der Paß von diesem Joseph Seroff - da fällt uns gerade was Merkwürdiges auf.«
»Was denn?«
»Die Adresse, die wir von dem Typen haben, ist die Leichenhalle, und die Telefonnummer gehört zur Friedhofsverwaltung. Und von einem Joseph Seroff, ob tot oder lebendig, haben sie noch nie gehört.«
»Ach nee? Ein falscher Paß?« Williams hob ihn von seiner Schreibtischunterlage auf. Wenn der gefälscht war, hatte jemand ausgezeichnete Arbeit geleistet. Widerfuhr ihm zur Abwechslung doch mal was Interessantes in seinem Beruf?
»Nicht ganz. Der Computer hat Namen und Paß und Paßnummer ganz normal gespeichert. Nur daß dieser Seroff nicht wohnen kann, wo er zu wohnen behauptet. Wahrscheinlich hat er falsche Angaben gemacht. Aus den Akten geht hervor, daß er eingebürgerter Brite ist. Sollen wir der Sache trotzdem nachgehen?«
Williams überlegte einen Moment. Falsche Papiere hatte er schon oft gesehen, und sogar selbst gelernt, wie man sie anfertigte - das war Teil der Schulung auf der SIS-Akademie. Tja, warum nicht? Womöglich war er einem unvorsichtigen Agenten auf der Spur? »Ich bitte darum, Burt. Kannst du das für mich machen?«
»Ich ruf dich morgen wieder an«, versprach der Foreign-Office-Beamte.
Peter Williams schaltete den Computer ein und sandte eine e-Mail nach London, ganz normale Routine für einen jungen, noch am Anfang seiner Karriere stehenden Abwehroffizier auf seinem ersten Auslandsjob. New York unterschied sich gar nicht besonders von London: hohe Lebenshaltungskosten, die Stadt unpersönlich, dafür großartige Kulturaktivitäten. Nur fehlten den Leuten hier die traditionell guten Manieren der Bürger seiner Heimatstadt.
Seroff, dachte er. Ein russischer Name. Solche Leute gab es überall, eine ganze Menge auch in London. Und noch mehr in New York City, wo die meisten Taxifahrer aus Mütterchen Rußland kamen, direkt mit dem Einwandererboot oder mit dem Flugzeug, und weder die englische Sprache beherrschten noch den Stadtplan von New York. Verlorener englischer Paß. Russischer Name.
***
Fünftausendfünfhundert Kilometer weiter östlich wurde der Name »Seroff« ins SIS-Register der Computerzentrale eingegeben. Die Datenbank hatte schon vier mögliche Treffer ausgespuckt, ohne daß etwas Brauchbares dabei war. Doch die Suchmaske wies zahlreiche Varianten und Zusatzfunktionen auf, die allesamt durchprobiert wurden. Der Name »Seroff« reichte nicht aus, er wurde beispielsweise auch in der Schreibung »Serof« und »Serow« aufgerufen. Und als die e-Mail aus New York kam, reagierte der Computer sofort und beförderte sie direkt auf den Tisch des Chefs. Der wußte, daß Joseph die englische Version von Josef, Josip oder Yussuf war, und da die Altersangaben des Paßinhabers und die Personenbeschreibung mit dem im Computer Gesuchten übereinstimmten, reichte er den gesamten Vorgang an diejenigen weiter, die gestern nach einem Joseph Andrejewitsch Seroff gefragt hatten.
Binnen kurzem landete die Nachricht als e-Mail auf Bill Tawneys Dienstterminal. Gar nicht mal so unnütz, wie man immer behauptet, die Computer, dachte Tawney, als er die Nachricht ausdrucken ließ. New York. Nicht uninteressant. Er rief die Nummer des Konsulats
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