10 - Operation Rainbow
die Langeweile führten sie Transistorradios mit sich.
Ein Eimer, keine dreißig Meter vom Taxistand, saß nicht richtig in der Halterung. Als der Reinigungsmann den Sack heraushob, verfing er sich an der Metallkante und riß auf, wobei der Inhalt sich über den Boden ergoß. Es war zum Kotzen, brummte der Arbeiter, der sich jetzt bücken und mit der behandschuhten Hand die Reste der Zivilisation einsammeln mußte. Er war fast fertig damit, als er den ziegelroten Pappdeckel sah, der offenbar zu einem britischen Paß gehörte. So etwas warf man doch nicht einfach weg? Er blätterte darin und fand zwei Kreditkarten, mit demselben Namen versehen wie der Paß. Seroff, las er, ein ungewöhnlicher Name. Das ganze Bündel steckte er in die Brusttasche seiner Dienstkleidung. So etwas mußte er ins Fundbüro bringen. Es war nicht das erste Mal, daß er Wertsachen in seinem Müll fand. Einmal hatte er sogar eine komplett geladene 9mm-Pistole entdeckt!
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Um diese Zeit saß Popov in seinem Apartment und war zu müde, um auch nur die Koffer auszupacken. Statt dessen zupfte er sich achtlos die Klamotten vom Leib und brach auf dem Bett zusammen, ohne seinen geliebten Wodka, der ihm sonst beim Einschlafen half. Reflexhaft tastete er nach der TV-Fernbedienung und kriegte noch einen Kurzbericht über Hereford zu sehen. Das Fernsehen war - govno , dachte er, verdammte Scheiße! Der Übertragungswagen, dessen Reporter an ihn herangetreten war und ihn interviewt h atte! Sie hatten das Interview nicht gebracht, aber da stand er selbst, im Profil zu sehen, wenige Meter weiter, während der Reporter über die aktuelle Lage berichtete. Für Popov ein Grund mehr, die Augen zu schließen - und er hatte nicht mehr die Energie, den Aus-Knopf zu drücken, als er auch schon eingenickt war, bei laufendem Fernseher, während sich in seinen Träumen die Berichte wiederholten und ihn die ganze Nacht beunruhigten.
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Paß, Kreditkarten und einige andere Dokumente von scheinbarem Wert kamen noch nach Büroschluß zur Fundsachenstelle der Entsorgungsfirma in Staten Island. Der Müllmann hatte sie auf dem richtigen Schreibtisch deponiert, bevor er seine Karte stempelte und sich zum gewohnten späten Abendbrot zurück nach Queens begab.
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Tom Sullivan hatte Überstunden gemacht und stand jetzt in der Kneipe, die von FBI-Leuten frequentiert wurde, nicht weit vom Jacob-Javits-Bundesgebäude in Manhattan. Sein Partner Frank Chatham war mitgekommen, und beide Agenten hatten sich einen Tisch gesucht, wo sie sich ihr San-Adams-Bier schmecken ließen.
»Hat sich bei dir irgendwas Neues ergeben?« fragte Sullivan. Er hatte den ganzen Tag im Gericht verbracht, um in einem Betrugsfall auszusagen, war aber wegen Verzögerungen im Prozeß gar nicht mehr in den Zeugenstand gerufen worden.
»Mit zwei Mädchen habe ich heute gesprochen. Sie kennen Kirk MacLean, aber keine von beiden ist je mit ihm gegangen«, erwiderte Chatham. »Sieht mal wieder nach einer neuen Sackgasse aus. Dabei war er doch ganz kooperativ, oder?«
»Sind irgendwelche anderen Namen in Verbindung mit den Vermißten aufgetaucht?«
Chatham schüttelte den Kopf. »Kein einziger. Beide sagten, daß sie gesehen hätten, wie er mit der Vermißten redete und einmal mit ihr wegging. Dasselbe hat er uns auch erzählt. Aber besonders aufgefallen ist ihnen nichts. Die übliche Szenerie einer Single-Bar. Keinerlei Widersprüche mit dem, was er sagt. Übrigens kann diesen MacLean niemand besonders leiden. Es heißt, er spricht die Mädels an, stellt blöde Fragen und verschwindet wieder.«
»Was denn für Fragen?«
»Die üblichen - Name, Adresse, wo sie arbeiten, Familien-hintergrund. Dasselbe, was wir fragen, Tom.«
»Die beiden Mädchen, mit denen du heute geredet hast«, begann Sullivan nachdenklich, »wo kamen die her?«
»Die eine ist New Yorkerin, die andere wohnt am anderen Ufer in Jersey.«
»Bannister und Pretloe kommen von auswärts«, betonte Sullivan.
»Klar, weiß ich. Na und?«
»Nehmen wir an, er ist der Serientäter - war's da nicht leichter, Opfer auszusuchen, die keine Familienangehörigen in der Nähe haben?«
»Du meinst, er sortiert sie vorher aus... ? Ist das nicht an den Haaren herbeigezogen, Tom?«
»Vielleicht - aber gegen wen hätten wir sonst was in der Hand?« Die Antwort war einfach - gegen kaum jemanden. Der gedruckte Fahndungsaufruf der New Yorker Polizei hatte fünfzehn Leute veranlaßt, sich zu melden und die Gesichter zu identifizieren;
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