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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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„Und dann das Baby der Anna Bergen. Die Geburt ist in der Gemeindekartei vermerkt. Aber nichts über seinen Tod. Es müßte also noch leben. Den Unterlagen nach müßte es in diesem Dorf über sechzig Kinder unter zehn Jahren geben. Aber wo sind die?“
    Das war es!
    Etwas hatte mich an Schwabers Theorie gestört. Etwas spukte mir die ganze Zeit über im Kopf herum. Die fehlenden Kinder!
    Sie waren die Opfer. Sie waren jung. Sie hatten das ganze Leben vor sich. Nichts war verbraucht. Ihre Zellen waren voller Leben. Was lag also näher, als das Leben der Kinder zu nehmen?
    Julia, die während des Gesprächs an meinen Lippen gehangen hatte, zog die gleichen Schlüsse. Ich sah es an ihrem blassen Gesicht.
    „Sie haben sie alle umgebracht“, brach es aus ihr hervor.
    Berger starrte mich an, als wollte er in meinem Gesicht die Bestätigung dieses Wahnsinns finden. Ich nickte. Er sprang auf. „Allmächtiger Himmel!“ Dann sank er in den Stuhl zurück. „Nein, nein, ich glaube diesen Irrsinn nicht. Es gibt zu viele Dinge, die nicht ins Bild passen. Warum ist der Tod nicht vermerkt? Es muß doch früher oder später auffallen, daß keine Kinder da sind.“
    „Julia berichtete uns, daß manchmal aus der Schule Kindergesang hörbar war. Aber auch sie hat die Kinder nie gesehen, nicht wahr?“
    „Ja“, flüsterte Julia. „Manchmal hörte ich das Singen, aber die Schule war immer verschlossen. Ich durfte nie hinein. Ich mußte weiter nach Plangau in die Schule. Darüber war ich sehr froh.“
    „Warum?“ unterbrach sie Oberinspektor Berger.
    „Weil ich dort andere Mädchen und Jungs traf“, erklärte sie. „Hier in Gehrdorf hatte ich keine Spielkameraden. Es war, als ob es keine gäbe.“
    „Und es gibt auch keine“, ergänzte ich. „Vielleicht ließen sie ein Tonband laufen, um den Eindruck zu erwecken, daß Kinder in der Schule wären.“
    Berger schüttelte den Kopf. „Wozu? Wem wollten sie das vormachen?“
    „Fremden, die nach Gerdorf kamen, denn das ließ sich nicht vermeiden. Und möglicherweise auch Julia, die ja jeden Tag nach Plangau kam.“
    „Aber dann hätten sie sie doch…“ Er brach ab und vermied es, das Mädchen anzublicken.
    „Umbringen können?“ vollendete ich seinen Satz. „Das versuchten sie heute nacht. Vielleicht warteten sie auf eine günstige Gelegenheit.“
    „Na schön. Ihrer Theorie nach durchaus möglich.“
    „Sie mußten den Schein wahren“,
    fuhr ich fort. „Hohe Kindersterblichkeit wäre aufgefallen.“
    „Sie hätten die Geburten nicht alle zu melden brauchen“, wandte er ein. „Sicher hätte es einen einfacheren Weg gegeben, die Sache zu verschleiern.“
    „Hier stimme ich allerdings dem Inspektor zu“, mengte sich Willie ein. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu.
    Berger sah ihn dankbar an.
    „Es scheint mir, ihr habt alle noch nicht gründlich nachgedacht“, stellte ich verärgert fest. „Seht ihr denn nicht, daß sie einen bestimmten Nachwuchs brauchen? Steinseifers Beispiel beweist es doch. Sie brauchen neue Identitäten, in die sie schlüpfen können, wenn sie so alt geworden sind, daß sie wenigstens vor der Welt sterben müssen.“
    Das leuchtete ihnen ein. Sie schwiegen.
    Rasch fuhr ich fort: „Da es im Ort Menschen aller Altersgruppen gibt und der Anteil der alten Menschen nicht sehr hoch ist, nehme ich an, daß sie durch dieses übertragene Leben nicht altern, oder wenigstens kaum altern. Wenn die Kinder dem Papier nach alt genug sind, wird einfach die Identität gewechselt. Nichts ist leichter als Papiere zu fälschen, wenn man sogar die Ämter zur Verfügung hat.“
    Berger biß sich auf die Lippen. „Zum Teufel, Feller. Sie setzen mir da einen Floh ins Ohr. Ich hätte mir Ihre Meinung gar nicht erst anhören sollen. Dann finge ich jetzt nicht an, Ihnen zu glauben. Ich muß verrückt sein!“ Er starrte uns an. Als die Zustimmung ausblieb, sagte er: „Was erwarten Sie, daß wir auf dem Friedhof finden?“
    Ich zuckte die Achseln. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Alles Mögliche, oder gar nichts. Aber bestimmt nicht die Gehrdorfer, deren Namen auf den Grabsteinen stehen. Warum sehen Sie nicht einfach nach oder lassen es uns tun, wenn es Ihren Leuten zu viel Mühe macht, die Schaufel schwingen?“
    Man sah ihm an, daß er sich zu einem Entschluß durchrang. „Es muß heimlich geschehen, sonst gibt es Schwierigkeiten. Ich werde alles vorbereiten, obwohl es mich meinen Posten kostet, wenn es sich herausstellt, daß ich auf

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