100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
aromenkräftig wie die aus Südfrankreich. Für die englischen Varianten werden nämlich meist weder ganze Orangen oder Blutorangen, sondern lediglich die Schale der Pomeranzen (Bitterorangen) verwendet. Wer diesen Geschmack hingegen besonders schätzt, sollte in Italien nach »Aranciata Amara« Ausschau halten.
Wer in diesem Buch die Zitrusfrüchte ein wenig vermisst, für den haben wir noch zwei Tipps: Kleine Zitronen aus Korsika schmecken richtig schön sauer. Und die Zitrusfrucht des Snobs ist Microcitrus Australasica, kommt aus Nordaustralien, heißt wegen der Perlen in ihrem Inneren auch Zitronenkaviar und wurde zu Kilopreisen bis zu 399 Euro in Westeuropa eingeführt.
Parmesan
Das ist für mich ein wahrer Wunderkäse – obwohl ich auch für ihn eine Weile brauchte, um ihn lieben zu lernen. Was für einen Weichkäse-Fan wie mich nicht weiter verwunderlich ist. Aber ein Käse, für den man ein eigenes Messer haben sollte, ist ja von Haus aus eine Besonderheit. Und europäischer Markenschutz wird ja auch nicht so ohne weiteres gewährt …
Was wären Spaghetti bolognese ohne den leise rieselnden Käseschnee? Oder ein frisches Pesto? Die italienische Küche, die ja längst auch die unsere ist, ist ohne den dickleibigen Meister gar nicht zu denken. Dass er in jugendlichem Alter auch ungerieben, dafür in gehobelten Blättchen (wie weiße Trüffel) jeden Feinschmecker zum Jauchzen bringt, darauf muss man allerdings erst mal kommen. Mit Honig bestrichen oder gutem Balsamico besprüht läuft er zu ungeahnten Formen auf. Und Rucola-Salat wird durch ihn in den kulinarischen Adelsstand erhoben.
Als ich hörte, dass Banken ganze Lagerhallen von vor sich hin reifendem Parmesan als Sicherheiten akzeptieren, habe ich endgültig meinen Hut vor dem Parmesan gezogen. Wohl wissend, dass ich wahrscheinlich bisher nur seine ärmeren Familienmitglieder kennengelernt habe.
Also, sicher ist das nicht. Beim Parmesan wurde, anders als beim Camembert, in Sachen Markenschutz richtig durchgegriffen. Nachahmer mussten auf andere Bezeichnungen zurückgreifen. Nein, der »Pamasello« von Kraft ist kein Parmesan. Es ist nur ein italienisierend gedrechselter Name aus der Marketingabteilung, so industriell wie der Käse selbst. In Nord- und Südamerika begraben Oberkellner mit falschem Akzent ihre Pasta-Gerichte freilich gern unter noch falscherem Käse.
Es ist schon ein ausgesprochener Glücksfall, wenn die üblichen Käseflocken noch aus ein bis zwei Jahre gelagertem Grana Padano bestehen, einem Hartkäse, der irgendwo zwischen Mailand und Ravenna hergestellt wird. Auch in Argentinien gibt es ein Parmesan-Imitat namens Reggianito.
Das Original jedoch heißt Parmigiano-Reggiano, ist seit 1955 ein DOC-Käse, also aus »kontrollierter Erzeugung«, reift ein bis zehn Jahre oder länger, ist entsprechend rar, teuer und kommt selbstverständlich in einem Lokal, das sich selbst respektiert, nur frisch gerieben auf den Tisch. Als Pasta-Puder ist er zwar nicht zu schade, das delikate Aroma offenbart sich aber erst richtig, wenn man ihn stückweise kostet oder in der Küche wie ein seltenes Gewürz einsetzt.
Sein Ursprung ist ein wenig umstritten: Casanova verortete ihn in seinen Memoiren in Lodi, nicht etwa in Parma. Vielbeachtete Autoren französischer Lexika wie Pierre Larousse und Emile Littré pflichteten ihm bei. Die Herzogin von Parma soll laut ihnen den Käse in Paris bekannt gemacht haben.
Heute kommt der Hartkäse aus der Gegend um Parma (deshalb Parmigiano), Reggio-Emila (daher Reggiano) oder Bologna. Höchstwahrscheinlich war das vor 800 Jahren nicht wesentlich anders. Bocaccio jedenfalls preist den Parmigiano in seinem Decameron, von Molière heißt es manchmal, dass er in weniger glorreichen Jahren seiner Schauspieler- und Schreiberlaufbahn fast ausschließlich von Parmesan lebte.
Seit 1934 wacht ein Käse-Konsortium, das »Consorzio di Tutela«, die Vereinigung der Parmesan-Produzenten, über die Einhaltung der wesentlichen Qualitätsmerkmale. Heute verlassen um die drei Millionen Käselaibe jährlich die etwa 450 herstellenden Käsereien.
Frisches Gras, Luzerne oder Heu – das ist der Speiseplan für Kühe, deren Milch einmal zu Parmesan werden soll. Rund 16 Kilo davon braucht man für ein Kilo Parmigiano, in einen einzigen der Laibe wandern 600 Liter Milch. Entrahmte Abendmilch und frische Morgenmilch werden für den Parmigiano gemischt. Um ihn für seine lange Lagerung »fit« zu machen, verweilt er drei Wochen im
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