100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
kann. Noch heute bestelle ich regelmäßig frische Pfeffer. Wenn Sie die staubtrockene Ware aus dem Supermarkt damit ersetzen, schmeckt jedes Gericht gleich viel eindrucksvoller. Würzen Sie ein und dasselbe Gericht mal mit Voatsiperifery aus Madagaskar, einer auch als Piper borbonense bekannten Pfefferart, mal mit Kampot aus Kambodscha. Der gute Geschmack hängt vielfach an vermeintlichen Kleinigkeiten: Es gibt frische Pfeffer, die nach Kräutern schmecken, oder süß, oder leicht seifig, was sich zugegeben ein wenig irritierend anhört. Doch auf die Dosis kommt es an. Pfefferhändler Vive treffe ich alle sechs Monate, er ist ein bullig wirkender Kahlkopf mit breitem Kreuz. Einmal habe ich ihn gebeten, mir doch zu erzählen, wie man denn heute noch ein »kleiner Pfeffersack« wird. »Warum ich Pfeffer suche?«, fragte er zurück, und dann erläuterte der sympathische Kahlkopf: »Guter Pfeffer ist frischer Pfeffer. Weil das Gewürz aber an diversen Warenterminbörsen gehandelt wird, ist der meiste in Europa erhältliche Pfeffer drei bis fünf Jahre alt. Dadurch wird er nicht gerade besser.« Frische Pfeffer jedoch wurden in Europa kaum angeboten. »Vielleicht gibt es da Bedarf, sagte ich mir.« Und so begann die Jagd nach dem besten Körnchen, schleppend, holprig und voller Pannen: »Als ich in Indonesien eintraf, fiel mir prompt ein, dass ich kein Englisch spreche. Inzwischen habe ich es gelernt. Während der Suche nach Pfeffer reiste ich durch Orte, die nie ein Tourist betreten hatte. Auf einer Fähre baten mich die Indonesier sogar, ihre Kinder zu segnen!« Es dauerte drei Wochen, bis Vive seine erste Pfefferpflanze zu Gesicht bekam. »Die wirkte eher wie eine dicke Liane. Ich habe sie gar nicht als Pfeffer erkannt. Ehrlich gesagt hatte ich Pfefferpflanzen nie gesehen! Mit den chinesischen Eignern verhandelte ich mit Händen und Füßen. Dank meines 20 Kilo-Pakets mit weißem Pfeffer im Gepäck wurde ich anschließend auf dem Flughafen als Drogenkurier verhaftet.« Da hatten ihm die Händler schon das kleine Einmaleins des Pfeffers beigebracht: Ein gutes Pfefferkorn ist staubfrei, schwer für seine Größe und relativ dicht. »Beim ersten Biss knackt es sofort.« Dann aber schmeckt es höchst unterschiedlich: Scharf, mild, salzig, manchmal sogar blumig oder, wie erwähnt, mit einem leichten Seifenton.
Vive hatte buchstäblich angebissen, kehrte bald nach Asien zurück, suchte mit einem Fernsehteam Sternanis auf der chinesischen Insel Hainan und beschenkte Parteifunktionäre mit französischem Pastis. Und schon ging sie weiter, die Jagd nach dem perfekten Pfefferkorn.
Gegenwärtig führt Vive unter anderem rote Pfeffer sowie die schwarzen und weißen Kampot aus Kambodscha, indischen Kappad, Voatsiperifery aus Madagaskar und natürlich chinesischen Szechuan-Pfeffer. »Eine Fehlbenennung. Rein botanisch ist der Szechuan kein Pfeffer, sondern gehört zu den Zitrusgewächsen.« Hobby- und Profiköche, die erstmals mit Vives Premiumpfeffern arbeiten, stoßen ob der Aromenfülle auf Schwierigkeiten. »In die Mühle füllen und kräftig draufhalten – das läuft bei frischem Pfeffer nicht«, erläutert der Händler »Man muss ihn wie ein Gewürz oder ein Kraut behandeln. Mit Präzision.« Vive, der früher selbst ein Lokal namens »Le lapin tant pis« im provenzalischen Forcalquier betrieb, hat selbst etliche Rezepte ausprobiert: Kubebenpfeffer passt sehr gut zu Krustentieren oder Zitrusfrüchten, weißer Sarawak aus Malaysia ergänzt Tomaten, Piper longus und Sarawak schmecken zur Schokolade. Doch gerade große Köche wollen von seiner Pfefferkunde nichts wissen: »Wenn ich die schon im Fernsehen betrachten muss! Da arbeiten sie eine Stunde vor den Kameras, erläutern, dass wir zwei Gramm von diesem Kraut, aber nur ein Gramm von jenem Kraut brauchen. Und am Schluss ziehen sie eine Pfeffermühle hervor und meinen: Bitte pfeffern.« Vive schnaubte vor Verachtung: »Mal ehrlich«, sagte er. »Das ist auf einem Niveau mit: »Bitte kräutern Sie jetzt mal.«
Pfifferlinge
Es gibt nur einen einzigen Pilz, den auch der Unerfahrenste kennt und von dem kaum eine Verwechslungsgefahr ausgeht – das ist der Pfifferling, in Bayern auch Reherl genannt und in Österreich als Eierschwammerl bekannt. Pfifferlinge in Rahmsauce mit einem Semmelknödel, das ist das Gericht, das ich mir wünschen würde, wenn ich einmal in die fatale Lage käme, eine Henkersmahlzeit nennen zu müssen.
Und wie man sich über jede Tannennadel freut, die
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