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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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art, die mit unseren Schwalben nicht identisch ist. Überhaupt gibt es in der chinesischen Küche viele Gerichte, die sich allein durch die Konsistenz, nicht aber durch Geschmacksfülle auszeichnen. Dazu gehören etwa gekochte Hühnerfüße, die ebenfalls wie Gelatine glibbern.
    Diverseste Köche versuchen, das Genießen der Konsistenz auch Europäern schmackhaft zu machen. Meist werden uns solche Gerichte unter Bezeichnungen wie »Spiel mit Texturen« oder »in verschiedenen Texturen« angeboten. Im Grunde ist das nichts weiter als eine erzwungene Intellektualisierung des Mundgefühls zwischen fest und flüssig – schließlich stammt die »Textur« vom lateinischen »Textura«, also Gewebe. Merke: Wer »Textur« sagt, muss auch »Thaumaturg« sagen, also griechisch für »Wundertäter«, für die sich solche textenden und textierenden Köche oft halten. Schließlich greifen sie statt zu Kalbs- und Hühnerfüßen lieber in alle Schubladen der chemischen Industrie, um ihre »Texturen« zu erzeugen.
    Die Schwalbennester, die später in Suppen landen, stammen traditionell nicht aus China, sondern aus Indonesien, Thailand, Vietnam oder den enormen Tropfsteinhöhlen bei Niah und Gomantong auf Borneo. Professionelle Sammler klettern auf hohen Bambusleitern zu Felsklippen und Grotten, sammeln Nest um Nest. Nicht unbedingt appetitlicher wird diese Delikatesse für viele Esser dadurch, dass die Konsistenz ganz wesentlich durch den Vogelspeichel erzeugt wird. Ganz davon abgesehen sind die besten Suchgebiete für Vogelnester bestens auch für den Abbau von Guano, den Dung aus Vogelexkrementen, geeignet. Eine einzige Grotte in Malaysia soll neben den Nestern eine Tonne Dung »abwerfen«.
    Der britische Wirtschaftswissenschaftler Peter Jordan berichtet in »Globalisation and Bird’s Nest Soup«, dass der Legende nach zu Zeiten der Tang-Dynastie (618–907) die ersten Vogelnester von Gomantong auf Borneo nach China exportiert wurde. Der Kaiser höchstselbst soll sich über den Mangel an Geschmack beklagt haben. Darauf fürchtete der Hofkoch um seinen Kopf und erwiderte, die Einwohner von Borneo sähen diese Suppe als starkes Aphrodisiakum – wieder einmal! – und Mittel für ein langes Leben. Der Kaiser schluckte, laut Jordan, sowohl die Geschichten als auch die Suppe. Fortan wollten sich auch die Adligen und die wohlhabenden Bürger an Vogelnestern laben.
    Die aphrodisierende Wirkung ist unbewiesen. Eine Forschergruppe um Chao-Tan Guo und Tadanobu Takahashi war der Meinung, der Konsum von Vogelnestern könne eine Infektion mit Influenzaviren hemmen. Massimo F. Marcone vom Department of Food Science des Ontario Agricultural College konnte in Vogelnestern ein Protein nachweisen, das bei Kindern schwere Allergien auslösen könnte. Außerdem stellte er fest, dass Vo gelnestern vor dem Verkauf Karayagummi (E 416), Gallertpilze und Rotalgen beigemischt werden und dass diese »Beigaben« zwei bis zehn Prozent des Gesamtgewichts ausmachen. Ein lukratives Geschäft, denn schon im Jahr 2004 wurden bis zu 1300 $ für 150 Gramm hochwertige Nester fällig. Abnehmer sind China und andere Länder Asiens, aber auch größere Chinatowns in der übrigen Welt. Den höchsten Preis erzielen die rotfarbenen »Blut-Nester«, gefolgt von weißen Nestern und schließlich schwarzen Exemplaren der Salangane-Art Aerodramus maximus; folgerichtig wird sie auch Schwarznestsalangane genannt.
    Natürlich hängt der Preis auch vom Zustand des Nestes ab: Besonders gesucht sind Exemplare mit der Form einer halbierten Schale, nicht zu dick dürfen sie sein, auch sollten sie keine Löcher aufweisen. Federn und andere Unreinheiten werden bei roten und weißen Nestern mühsam von Hand entfernt, während die Schwarzen mit Wasser und Öl eingekocht werden können. Anschließend lässt man die Nester trocknen, schließlich gibt es in wichtigen Märkten wie Hongkong Normen zum Feuchtigkeitsgehalt, der dort unter zehn Prozent liegen muss.
    Schon wegen der hohen Verkaufspreise werden besonders in Indonesien Vogelnester regelrecht »produziert«: Mal bieten Bauern den Vögeln Nistmöglichkeiten, komplett mit Wasser für Vogelbäder und verdorbenem Obst, das all jene Insekten anlocken soll, die auf dem Speiseplan der Vögel stehen. Mal werden die Vögel in der Hoffnung auf kommenden Nestbau gezüchtet.
    Natürlich haben die Köche Asiens inzwischen Rezepte gefunden, die Konsistenz der »Schwalbennester« mit feinen Aromen zu veredeln. Oft findet man sie als Suppe auf

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