100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Badener lieben ihre Schneckensuppe. Schlecht zubereitete Schnecken haben den kulinarischen Wert eines Radiergummis. Die richtigen, guten schmecken ein wenig nach Kalb, allerdings mit einer vollkommen anderen Konsistenz. Französischen Forschern wie etwa dem Paläontologen Edouard Lartet (1801–1871) zufolge aßen wir Menschen schon zur Mittelsteinzeit (um 9600 vor Christus) wahre Massen an Schnecken. Kein Wunder, schließlich konnten unsere Vorfahren die Gastropoden gefahrlos aufsammeln und sogar lagern. Die Griechen und Römer schätzten sie als Leckerbissen. Plinius der Ältere berichtet in seiner »Naturalis Historiae«, seiner Naturgeschichte, von der Schneckenfarm des Fulvius Hirpinius, die er »kurz vor dem Krieg zwischen Cäsar und Pompejus« anzulegen begann. Vier Schneckenarten soll er in der Gegend um Tarquinia gezüchtet haben. Gemästet wurden sie mit Milch und Most.
Apicius, der große Koch der Antike, legte Schnecken mehrere Tage vor ihrer Zubereitung in Milch ein. Gebraten wurden sie erst, wenn sie so fett waren, dass sie sich nicht mehr in ihr Haus zurückziehen konnten.
Französische Feinschmecker bevorzugen zwei Sorten. Zum einen die »Petit Gris« genannte (Helix aspersa aspersa), die 28 bis 35 mm groß wird und zwischen sieben und 15 Gramm wiegt. Sie werden in Feld und Wald gesammelt oder gezüchtet. Ein Schneckenzüchter heißt übrigens »Héliciculteur«, vom La teini schen »Helix«. Zum anderen die »Burgunder Schnecken« Helix pomatia. Mit 40–55 mm Länge und einem Gewicht von 25 bis 45 g ist diese Sorte wesentlich größer. Weil dieser dicke Brummer der Liebling der Feinschmecker ist, wird dieser Gastropod seit 1979 geschützt. Zur Eiablage vom 1. April bis 30. Juni darf nicht gesammelt werden. Schlimmer noch, der »echte Burgunder« kann in Frankreich nicht rentabel gezüchtet werden. Sie sind nicht sehr fruchtbar und wachsen nur langsam. Es heißt, so eine Burgunder Schnecke kann bis zu 20 Jahre leben, auch wenn die meisten immer noch auf die beachtliche Lebenszeit von sieben, acht Jahren kommen! Züchter aus Osteuropa oder Griechenland liefern zuweilen große Zucht schneckenarten, die als »Burgunder« verkauft werden. In Frankreich laufen Zuchtversuche mit der »Blond de Flandres« genannten Sorte, dem großen »Blonden aus Flandern.«
Auch heute noch durchlaufen die Schnecken etliche Etappen der Verfeinerung: Die Gastropoden fressen alles – auch Dinge, die für uns Menschen nicht gerade appetitlich sind. Deshalb werden sie zwei, drei Wochen auf Diät gesetzt. Statt sie hungern zu lassen, kann man sie mit Kräutern wie Petersilie, Thymian, Minze und Rosmarin füttern. Oder mit gemahlener Kleie. Oder, ja doch, mit Milch. Salz oder Essig befreit sie von Schleim, sie werden gewaschen, gebürstet, zehn Minuten gekocht und ausgenommen. Besonders der Verdauungsapparat muss sorgfältig entfernt werden. Weitere Waschungen mit Salz und Essigwasser folgen – sowohl für die Schnecke als auch für ihr ehemaliges Haus.
Fast alle Händler hüten übrigens sorgsam das Rezept der Kräuterbutter, die schließlich die Schnecke umgibt. Im »Maison de l’Escargot«, dem »Haus der Schnecke« in Paris, heißt es nur, dass neben Butter, Petersilie und Knoblauch nicht weniger als 18 Kräuter und Gewürze verwendet werden. Solche Schnecken schmecken!
Schokolade
Dem richtigen Schokoladengenuss auf die Spur zu kommen, scheint mir eine Lebensaufgabe zu sein. Nachdem ich die Kochschokoladen-Phase meiner Kindheit – mit dem Finger aus dem Topf naschend – hinter mich gebracht habe, kam eine Phase amerikanischer Schokolade mit einer braunen Hülle mit Silberschrift. Ich entdeckte sie vor ein paar Jahren wieder in irgendeinem Geschäft und nahm sie aus Sentimentalität mit: Sie schmeckte scheußlich! Dann kam die Toblerone-Phase und die der auch an Tankstellen erhältlichen Sorte, die man durch Knicken öffnet. Als ich einmal zu einer Schokoladen-Blindverkostung des WDR eingeladen war und die höchste Punktzahl prompt an die von den Experten am schlechtesten beurteilte Sorte vergab, wusste ich, dass ich noch einen weiten Weg zur wahren Kennerschaft haben würde. Aber so geht’s ja selbst Konditoren – anders kann ich mir nicht erklären, weshalb niemand den geschmeidigen Schokoladenüberzug der echten Sachertorte nachkochen kann, denn fast immer wird ein im Mund splitternder Steinbruch serviert, der nicht an den sanften Schmelz des Wiener Originals herankommt.
Und dann geisterte irgendwann durch
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