100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
den süßen Sachen der Umgebung nachgespürt: tagesfrischen Schokotrüffeln in der Schweiz, schokomächtigen Kakaos, in denen der Löffel beim Umrühren förmlich stecken bleibt. Chocolatier, das lernte ich schnell, ist heute ein Metier wie Küchenchef: Da werden nicht nur exzellente Zutaten ausgewählt, die ambitionierteren Vertreter des Berufsstandes kreieren permanent eigene Rezepte – nur waren wirkliche Top-Chocolatiers schon immer rarer als Spitzenköche.
Ich entdeckte etablierte Chocolatiers wie den Franzosen Joël Durand aus Saint-Rémy-de-Provence, Enric Rovira und Oriol Balaguer aus Barcelona, Patrick Roger in Paris oder Madame Tsetsuko in Tokio und verirrte mich in die winzige Patisserie »Au Bonbon Royal«, in der Juliette Binoche später die richtigen Gesten für den Film »Chocolat« üben sollte.
Das »royale Bonbon« steht in Paris. Dort gibt es gar einen Verein von etwa 150 Mitgliedern, den »Club des Croqueurs de chocolat«, ein Trupp von Hobby-Schoko-Verkostern, die in mehr oder minder regelmäßigen Abständen einen Schokoführer herausgeben. Schokolade probieren ist nämlich eine verdammt ernste Angelegenheit, wer neben Modedesignerin Sonia Rykiel in ein Ganache beißen möchte, muss eine regelrechte Kandidatur hinter sich bringen. Weil ich die mahnenden Blicke der Peer-Group fürchtete, wenn ich meine Zähne mal genießerisch in Bitterschokolade schlagen würde, obwohl vielleicht gerade extrem milchsüß in Mode ist, beantragte ich letztlich keine Mitgliedschaft.
Im Deutschen fehlt eine treffende Bezeichnung für den süßen Berufsstand: Schokomeister? Schokoladenhersteller? Oder gar Konditor? Wer ein richtiger Chocolatier sein will, widmet sich allein und ausschließlich der Schokolade. Richtiger Schokolade: handgemacht, möglichst naturbelassen, ohne Konservierungsmittel oder künstliche Geschmacksstoffe und sowieso ohne all die Un-Zutaten wie das erwähnte »Fremdfett«. Und selbst wer alle Regeln des Metiers respektiert, wird nicht unbedingt zum Großmeister: Die berühmte belgischen Schokoladen? Die sind oft sahnemächtig und schwer bis plump – aber im Export sind sie Meister. Die Schweizer sind gut, wenn sie frische »truffes du jour« herstellen. In den meisten Großstädten findet man einige qualitätsbewusste Anbieter.
Bei einem solchen senkte ich irgendwann den Löffel in einen Dom aus Bitterschokolade, Banane und Ingwer: »Die ideale Kombination gegen schlechte Laune«, hatte mir der Schokomeister versichert. Kein Wunder: Schokolade wirkt leicht antidepressiv, Bananen ebenfalls – was könnte da besser (und wohlschmeckender) sein als beides zusammen. Unterschlagen hat mir der Chocolatier damals, dass moderater Schokokonsum unter Umständen Herzinfarkten vorbeugt, die Resistenz gegen Stress verbessert und das Konzentrationsvermögen steigern kann.
Denn Schokolade ist in unserem Hirn und Körper aktiver als die weitaus meisten anderen Nahrungsmittel – vereinfacht kann man behaupten, dass jedes Viereck tatsächlich glücklich macht.
Schwalbennester
Die kann man doch nicht wirklich essen, oder? Ganz abgesehen davon, dass es mir leidtäte, diesen Flugkünstlern ihre Wohnungen wegzunehmen, die so perfekt an den Wänden kleben. Bauern achten streng darauf, dass immer mindestens ein Stallfenster geöffnet ist, damit die Schwalben ein und aus fliegen können. Es heißt, ein Schwalbennest im Haus zu haben, bringt Glück und Gottes Segen. Manche von diesen eleganten Tieren haben sich sogar das Innere von Kirchen für ihren Wohnungsbau ausgesucht. Den Flug einer solchen Kirchenschwalbe im Gotteshaus zu beobachten, ist eine besonders andächtige Form des Gebetes.
Von Spatzen weiß man, dass sie gerne im Sand »baden«. Die italienischen Schwalben unseres toskanischen Urlaubsdomizils nehmen das Baden etwas ernster: Sie schießen am Spätnachmittag wie treffsichere Pfeile so knapp über die Wasseroberfläche des Pools, dass sie gerade mal nasse Füße bekommen. Was aber ganz offensichtlich Zweck der Übung ist. Und diese verspielten Präzisionskünstler soll man obdachlos machen? Ganz abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie die architektonische Mischung aus Lehm, Heu, kleinen Zweigen, Blättern und Schwalbenspucke wohl schmeckt. Was fasziniert asiatische Feinschmecker so sehr daran?
Asiatische Gourmets glauben an eine medizinische Wirkung dieser besonderen Zutat. Und sie fasziniert die gelatineartige Konsistenz der Nester der Salanganen (Collocaliini), eine Segler
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