100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Mund und Verdauungsorgane – in Südeuropa tragen sie den schönen Namen »Laterne des Aristoteles« – entfernt. Schon wegen seiner Stacheln braucht jeder Hobbykoch dafür ein sehr dickes Tuch oder wirklich stabile Handschuhe. Mit einer kleinen, scharfen Schere schneidet man die Meeresfrucht in drei Viertel oder halber Höhe, ausgehend von der weichen Fläche ohne Stacheln, dem Mund. Letzterer wird, genau wie das gesamte Verdauungssystem, erst mal entsorgt. Den Corail kann man dann mit einem Teelöffel herausheben, das enthaltene Wasser wird aufgefangen und gefiltert. Und der Stachelpanzer eignet sich bestens, um den essbaren Teil der Seeigel darin den Gästen zu präsentieren.
Da liegt dann so ein stacheliger »Igel« von etwa acht Zentimeter Durchmesser, und man blickt auf die weiß-orangene Füllung.
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, sollte keines falls selbst ins Meer springen. Seeigel »fangen« will gelernt sein! Nicht jede Art ist essbar. Geerntet werden sie aber tatsächlich von Hand, mit Hilfe eines Messers, einer Pike oder eines Metallhakens.
Mit Schale ist so ein Seeigel in einem feuchten Tuch bis zu drei Tage haltbar, ausgenommene Exemplare sollten zügig verzehrt werden. Besser ist es jedoch, wenn man einen kundigen Fischhändler kennt, der sich allein um die »Laterne des Aristoteles« kümmert. Und am allerbesten ist es, Sie lernen den Igel im Restaurant kennen: Etwa im Grand Café de Turin, 5 place Garibaldi in Nizza. Dort wird er nämlich comme il faut serviert, gerade richtig, so wie es sich gehört, also: ohne Firlefanz. Der Seeigel bleibt roh, neben ihm liegt eine Zitrone.
Seeteufelleber
Das ist doch der Fisch, der aussieht, als hätte er sich für Halloween als böser Dämon maskiert? Und wedelt der nicht auch mit einer Art Feudel vor sich her, um Futterfische anzulocken? Der, den ich meine, hat ein mörderisch gefährlich aussehendes Gebiss, hat festes, wohlschmeckendes Fleisch, für einen Fisch sogar ganz ungewöhnlich festes Fleisch. In Italien steht er unter »Coda di Rospo« und in Frankreich unter »la Lotte« auf der Karte. Und dieser Bursche hat eine Leber, die etwas ganz Besonderes ist?
Die zwei Begriffe Leber und Meeresbewohner ergeben in meinem Gedächtnisspeicher immer nur das eine Stichwort: Lebertran. Und dass der alles andere als eine Köstlichkeit ist, darüber gibt es bestimmt keinen Streit, oder? Seeteufelleber hingegen habe ich noch nie auf einer deutschsprachigen Speisekarte gelesen – Lebertran natürlich auch nicht, diese verhasste gesundheitliche »Wohltat« überbesorgter Mütter. Diese spezielle Fischleber ist sicher eine große Rarität und ihre Zubereitung Geheimwissen von Köchen, die an Küsten kochen?
Ja, genau der ist es. Seeteufel sieht zwar hässlich aus, verfügt aber über feines, weißes Fleisch und hat noch dazu kaum Gräten. Dazu kommen zwei Köstlichkeiten. Die Seeteufelbäckchen am Kopf, etwa so groß wie ein Zwei-Euro-Stück, und die orangerote Leber. Und weil der Seeteufel bevorzugt andere Fische frisst, schmeckt diese besonders gut, eine Art Fisch-Foie-gras. Aber: Diese Leber schmeckt nur in kleinen Portionen, man muss einen Sinn für das richtige Maß entwickeln. Isst man zu gierig, verfliegt der Genuss.
Bekannt ist die Köstlichkeit seit langer Zeit: Die Hofköche Urbain Dubois und Emile Bernard servieren sie Mitte des 19. Jahrhunderts pochiert, mit Weißwein erwärmt, nebst Sauce normande und reichhaltiger Garnitur aus Trüffeln, Austern, Flusskrebsen, Muscheln, Pilzen. Doch die Hauptrolle in diesem Aristokratengericht spielt die Seeteufelleber.
In Frankreich, Spanien oder Italien bieten Fischhändler frische Seeteufellebern an. Die werden »entnervt«, in einen Zentimeter kleine Schnitzel geschnitten und schließlich gebraten. Manchmal wendet man sie vor dem Gang in die Pfanne in Mehl, oft kommen ein paar Tropfen Zitronensaft hinzu – das nimmt der Leber die bittere Note.
Zusätzlich gibt es durchaus hochwertige Dosenware (französisch: foie de lotte nature, Spanisch: Higado de rape al natural). Solche Dosen oder Glasbehälter sollten nur Seeteufelleber und vielleicht Salz und Pfeffer enthalten, auf keinen Fall irgendwelche Zusatz- und Farbstoffe. Um sich mit dem Geschmack vertraut zu machen, sollte man ein dünnes Leberschnitzelchen mit etwas Zitronensaft und Fleur de Sel auf Toast genießen. Experimentieren kann man später immer noch: Die Seeteufelleber passt auch zu Artischocken, Granatapfel, Spargel, frischem Apfel,
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