100 Stunden Todesangst
Stück
entfernt, und die kalte Winterluft flimmerte.
18. Autodiebstahl
Durch den
Gardinenspalt blickte Hartwig, der Hüne, der Dreier-Gruppe nach.
Verdammt!
Die waren beharrlich gewesen. Und der Köter wäre am liebsten unter der Tür
durchgekrochen. Erst dieser dusselige Briefträger, der’s nicht fassen konnte,
daß die Alte nicht da war. Und jetzt diese Bälger mit ihrem Vieh.
„Sind sie
weg?“ röchelte Sascha.
Er lag im
Bett. Sein Gesicht war schweißbedeckt. Er fühlte sich noch elender als er
aussah.
„Sind weg.“
„Wer war
das?“
„Offenbar
die Enkelkinder. Alle haben von der Oma gesprochen. Einen Köter hatten sie mit,
der wie ein Tiger aussieht — und auch beinahe so groß ist.“
„Ich kann
Hunde nicht leiden“, Sascha hustete. „Auch Katzen nicht. Paß auf, daß dieses
Schnurrvieh nicht wieder hier reinkommt.“
„Ich habe
die Katze rübergejagt. Sie ist jetzt bei den Alten.“
Daß es im
Hause eine Katze gab, hatte er erst spät in der Nacht bemerkt, als Frau Holle
hinter dem Sofa hervorkam, wo ihr Körbchen meistens steht.
Ohne ihn zu
beachten, war sie in die Küche stolziert, um aus ihrer Milchschüssel zu saufen.
Heute früh
war sie ins Gästezimmer gekommen — aus reiner Neugier — und zu Sascha aufs Bett
gesprungen, was den fürchterlich erschreckte.
„Die Enkel
vermuten“, sagte Hartwig, „die beiden Alten seien in die Stadt gefahren. Mit
dem Bus. Soll uns recht sein.“
„Und wenn
sie wiederkommen? Ich meine die Bälger.“
„Hm.“
Hartwig wandte sich vom Fenster ab.
„Sind wir
hier sicher, Hartwig?“
„Im Moment
noch. Was willst du denn machen, heh? Du schaffst keinen Schritt. Alle Welt
weiß inzwischen, daß wir, die Gesuchten,
Uniform tragen. Wenn ich vor die Tür trete, haben sie uns. Ich kann von hier
aus die Dorfstraße sehen. Nur einen Ausschnitt zwischen zwei Häusern. Immerhin!
Dreimal schon ist ein Streifenwagen vorbei gerollt. Die geben nicht auf, die
verdammten Bullen. Weg können wir erst, wenn die Luft rein ist. Zwei, drei,
vier Tage kann’s dauern, bis die Bullen abziehen. Dann sperre ich die beiden
Tanten im Keller ein, nehme dich huckepack, und wir schleichen ab. Bei Nacht,
selbstverständlich.“
„Hoffentlich
erlebe ich das noch.“
„Was willst
du denn? Dir geht’s doch schon besser.“
„Viel
besser! So gut, daß ich keinen Schritt schaffe — wie du selbst festgestellt
hast.“
„Die Wunde
heilt. Mehr kannst du nicht erwarten.“
Er ging zur
Tür.
„Bring mir
ein Bier!“ verlangte Sascha.
„Nachher.
Erst sehe ich mal nach, was unten in der Diele liegt. Der Junge hat einen
Zettel in den Briefschlitz geworfen.“
Schwerfällig
stieg Hartwig die Treppe hinunter. Er hatte wenig geschlafen und fühlte sich
völlig zerschlagen. Was ihm am meisten zu schaffen machte, war die Ungewißheit.
Er wußte nicht, wie es weitergehen sollte.
In der
Diele fand er das Kuvert.
Grinsend
las er.
Dann riß er
den Umschlag auf und nahm das Geld heraus.
Wer den
Pfennig nicht ehrt..., dachte er. In unserem Fall heißt das: Wer die 637Mark
verachtet, ist die 1,2 Millionen nicht wert.
Er schob
das Geld in die Tasche.
Um nicht
ständig aufpassen zu müssen, hatte er die beiden Seniorinnen wieder in Omas
Schlafzimmer eingeschlossen.
Immerhin
klopfte er, bevor er eintrat.
„Hier!“ Er
warf das Kuvert auf ein Tischchen. „Das Geld ist bei mir besser aufgehoben.
Waren das deine Enkelkinder, Rehm?“
Oma nickte.
Sie sah fast so blaß aus wie Eugenie.
„Sind die
hier aus dem Dorf?“ wollte Hartwig wissen.
„Aus der
Stadt.“
„Hast du
sie für heute erwartet?“
„Nein. Ich
bin überrascht.“
„Kommen sie
wieder?“
„Natürlich.
Sie besuchen mich gern.“
„Wann
müssen wir mit ihnen rechnen?“
„Das weiß
ich nicht. Dafür gibt es keine festen Tage.“ Hartwig überlegte, nagte an der
Unterlippe und befahl der Oma dann, was Anständiges zu kochen.
*
Das Verhängnis
begann, als Mick Bräh — Autobahn-Bandit und beauftragt mit dem Mord an
Podbilska — das Haus verließ.
Er wohnte
in einer Mietskaserne, hofseitig, mit Blick auf Mülltonnen und die fensterlose
Rückseite einer Kartonagen- (Pappdeckel)- Fabrik.
Heute war sein
Tag. Heute kam es darauf an. Heute mußte er sich auf eine Weise bewähren, die
alle bisherigen Grenzen sprengte.
In den USA,
dachte er, würde man mich Killer (jemand, der in fremdem Auftrag tötet )
nennen. Hm! Hört sich gut an. Jedenfalls ist das einer, vor dem alle
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