100 Tage Sex
Zehennägeln sah sie zum Anbeißen aus.
»Zeit für eine Geburtstags-Fußmassage«, verkündete ich.
Ich widmete mich ihren Füßen wie nie zuvor, traktierte die Fußrücken mit den Knöcheln, zog an allen Zehen, schob meine Finger in die Zwischenräume zwischen den Zehen und streichelte sie. Ich rieb ihre Fersen, streichelte
ihren Spann und knetete die Sohlen. Annie lag mit geschlossenen Augen da und lauschte der Musik.
»Wie war das?«, fragte ich, als ich ihre Füße auf die Matratze sinken ließ.
»Orgasmisch.«
»Apropos …«, sagte ich.
»Geburtstag ist doch was Tolles«, sang sie vor sich hin.
Endlich hatte Denver Tauwetter. Ich setzte Joni ihren rosa Helm auf und stellte sie vorn auf mein großes Skateboard. Sie hielt am Bug Ausschau, während ich das Schiff von hinten befehligte. So brachte ich sie in die Schule, wann immer Zeit und Wetter mitspielten.
Wir befanden uns in der vorletzten Woche des Marathons, und Annie hatte ihn ihren Kollegen gegenüber bisher noch mit keinem Wort erwähnt. Doch aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht verstand, ließ sie an diesem Tag die Bombe platzen.
Wenn Annie etwas peinlich ist, wird sie krebsrot, und als sie mit ihrer Beichte fertig war, fühlte sie sich, als hätte sie Stielaugen und Scheren statt Händen.
»Ich benutzte in Anwesenheit meines Vorgesetzten sogar das Wort ›Penetration‹«, erzählte sie mir hinterher. Allein die Erinnerung daran ließ sie noch einmal rot werden. Als Rechtsanwalt habe sich ihr Boss vornehmlich für die Regeln des Marathons interessiert. Seine erste Frage? Was im Reglement als Sex zählte. Also: »Penetration.«
»Wow!«, staunte ich. »Was für ein Dialog.«
»Das war noch nicht alles«, fuhr sie fort. »Er nahm mich ins Kreuzverhör. Konnte gar nicht mehr aufhören. Und mit jeder Frage wurde ich noch ein bisschen röter.«
»Ich kann’s mir gut vorstellen«, sagte ich lachend.
»Die Büroleiterin fasste es schön zusammen«, sagte Annie. »Als ich fertig war, kommentierte sie trocken: ›Sex zellent!‹ Später stieß noch der Produktionsleiter dazu. Als er von der Sache erfuhr, beriet er sich lang und breit mit unserem Chef, wie sie ihre Frauen dazu bringen konnten, auch mal bei so einem Sex-Marathon mitzumachen. Typisch Männer. Die Tatsache, dass ich unseren Marathon angestoßen hatte, nahmen sie dabei als Beweisstück A. Das Ganze war mir sooo peinlich. Aber ich musste auch lachen. Was für Clowns!«
»Entschuldigung«, wandte ich mich an einen Verkäufer in Bass Pro Shops. Wir standen an einer riesigen Vitrine mit Edel-Angelruten. »Ich brauche eine Angel für mich und eine für meine dreijährige Tochter, dazu Köder und so Zeug. Ich habe jahrelang nicht mehr geangelt und bin völlig aus der Übung. Ich kann nicht mal Leine auf eine Rolle legen. Können Sie mir helfen?«
Der Verkäufer mit Goldzahn nickte, offensichtlich zufrieden, dass ich mich ganz seiner Kompetenz anvertraut hatte. Er führte mich durch die Abteilung und wies auf die Vorzüge verschiedener Ausrüstungsgegenstände hin. Vor fast hundert Tagen hatte ich mich in diesem Geschäft furchtbar unwohl gefühlt, weil ich fürchtete, meine Interpretation von Maskulinität würde sich nicht mit der des Ladens vertragen. Jetzt sah ich das völlig entspannt. Der tägliche Sex hatte mein Selbstwertgefühl als Mann gestärkt, ich spürte keinerlei Bedürfnis, meine Männlichkeit besonders zur Schau zu stellen. Schließlich war ich kein in die Jahre gekommener Windbeutel, sondern ein sexuell aktiver Mann,
der nur vorübergehend auf die turbulenten und anstrengenden Freuden des Geschlechtslebens verzichtete, um sich mit Nebensächlichkeiten wie Angeln zu beschäftigen.
»Danke, Mann«, sagte ich.
»Gerne doch. Viel Spaß.«
Den Rest des Tages arbeitete ich daheim, im noch immer duftgeschwängerten Schlafzimmer.
An diesem Abend unterhielten Annie und ich uns lange. Über Immobilienpreise, Freunde, die Kinder. Das war eine der wichtigsten Errungenschaften des Marathons: Durch die größere körperliche Nähe waren wir uns auch als Partner wieder nähergekommen. Dieser Effekt hatte sich schon bald gezeigt, und er wurde immer stärker. Wir hatten schon immer gern miteinander geredet, aber in den vergangenen hundert Tagen waren unsere abendlichen Gespräche tiefer geworden, gleichzeitig hatte sich das Themenspektrum erweitert.
Annie drehte sich auf den Bauch, ich schob mich auf ihren Rücken. So lagen wir eine Weile, ohne groß zu reden. Wir
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