100 Tage Sex
glauben. Aber ich bin auch ein bisschen nervös.«
»Nervös?«
»Stell dir nur vor, aus irgendeinem Grund klappt es gerade heute nicht. Angenommen, ein Reifen platzt und wir bleiben stecken. Oder die Kinder weichen uns den ganzen Tag keinen Zentimeter von der Seite.«
»Himmel«, flüsterte ich. »Eine erschreckende Vorstellung.«
»Wir müssen heim und ins Bett.«
Ich hob meine Augenbrauen.
»Weißt du, wir sind schon im Bett.«
Wir hatten darüber gesprochen, ob wir den Marathon in der Hütte abschließen wollten, am Morgen, direkt nach
dem Erwachen. Aber wir hatten so viel Zeit in unserem Schlafzimmer verbracht, da glaubten wir es der Sexhöhle zu schulden, unser Abenteuer auch dort zu beenden. Jetzt kamen mir da allerdings Zweifel.
»Ja, ich musste auch schon darüber nachdenken«, gestand Annie. »Aber mir gefällt der ursprüngliche Plan noch am besten. Nummer 100 sollten wir in unserer Lustgrotte feiern.«
Nach kurzem Zögern stimmte ich ihr zu. Ich machte Bagels für alle und in der mitgebrachten Espressokanne Cappuccino für Annie und mich. Wir packten unser Zeug in den Minivan, brachten den Müll raus, räumten auf, weckten die Mädchen, gurteten sie in die Kindersitze und brachen kurz vor sieben auf. Unterwegs sahen wir Herden von Rothirschen, Antilopen und Maultierhirschen, einige Kojoten auf morgendlicher Jagd und vereinzelte Dickhornschafe. Die Mädchen schliefen, Annie und ich bewunderten die vorbeiziehende Landschaft, die man als selbstverständlich hinnehmen könnte, aber nie sollte, selbst wenn man in der Nähe wohnt.
Ich wollte den besonderen Tag irgendwie feiern, mit etwas anderem als Sex. Über die letzten Jahre hatte Annie sich mehrmals beklagt, wie sehr sie shoppen hasste, wie sehr es ihr zum Beispiel widerstrebte, ein Geschäft zu betreten und Jeans zu kaufen. Sie fand immer, keine der Hosen stehe ihr. Außerdem widerstrebte es ihr generell, Geld auszugeben. Läden schüchterten sie ein. »Ich brauche einen persönlichen Einkäufer«, hatte sie erst vor ein paar Wochen gesagt.
Also ging ich am 100. Tag für sie shoppen. Vom Büro aus machte ich einen Abstecher zu Banana Republic, und
schon in der ersten Minute sprang mir etwas ins Auge: eine an den Unterschenkeln umgeschlagene Jeans, eine Art Caprihose. Der Stoff war kunstvoll auf alt getrimmt und fühlte sich weich wie Butter an. Nachdem ich am Abend Ginger ins Bett gebracht hatte, versammelten Annie, Joni und ich uns im Schlafzimmer. Annie jubelte, als ich die Hose auspackte, schnappte sie sich und hielt sie sich an die Hüfte.
»O mein Gott!«, rief sie. Sie schlüpfte aus ihrer alten Hose und zog sich die neue Jeans an. Für ihr Publikum drehte sie sich einmal im Kreis.
»Toll«, befand ich. »Perfekt.«
Annie ging ins Bad, um sich im Spiegel zu begutachten. Ich beobachtete, wie sie sich vor dem Spiegel drehte und dabei die Lippen schürzte, wie sie es immer tat, wenn sie sich ein Outfit im Spiegel ansah.
»DJ, das ist zweifellos die beste Jeans, die ich je hatte«, sagte sie. »Absolut. Ich bin völlig begeistert. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Außer: Ich liebe dich.«
»Das ist doch eine ganze Menge«, antwortete ich.
Als Joni im Bett war, öffnete ich eine Flasche günstig erstandenen Champagner, zündete Kerzen und Räucherstäbchen an. Wir unterhielten uns angeregt. Annie behielt ihre Jeans die ganze Zeit an.
»In der Hose fühle ich mich richtig sexy«, erklärte sie. »Da stört mich noch nicht mal mein Hintern. Sie lässt mich auch nicht so nach Mutti aussehen. Ich fühle mich einfach cool darin.«
»Schön, wenn Empfinden und Wirklichkeit übereinstimmen«, fand ich. »Du siehst in der Jeans wirklich scharf aus.«
Danach zogen wir uns um. Im Morgenmantel saßen wir da, sahen uns die Bilder vom Hüttenwochenende an und lachten. Unter ihrem Morgenmantel trug Annie den Huit-BH und das Geschenk meiner Eltern, den schwarzen Slip mit der Strass-Aufschrift »100 Tage« am Hintern. Sie hatte ihn erst einmal angehabt, am allerersten Tag. Wir legten uns nebeneinander, küssten und streichelten uns und schnurrten vor Behagen. Annie redete allerdings noch immer über das Wochenende, weshalb ich aufhörte, dem Endziel entgegenzusteuern. Stattdessen setzte ich mich wieder auf und setzte das Gespräch über das vergangene Wochenende, über die Mädchen, über die sagenhafte Landschaft Colorados mit ihr fort. Natürlich besprachen wir auch, wo wir leben wollten, als ob das, wir im Moment taten, nicht Leben
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