1000 - Das Schwert des Salomo
beide Seiten?«
Donata gab mir keine Antwort mehr. Den Grund erkannte ich noch in derselben Sekunde, denn sie war dabei, sich vor meinen Augen aufzulösen. Es ging sehr schnell, ihre Gestalt wurde immer durchscheinender, und sie tanzte nur mehr als ein geisterhafter Hauch vor meinen Augen, der dann auch verschwand.
Donata hatte sich aufgelöst. War eins mit der Umgebung geworden oder hatte sich in eine andere Welt zurückgezogen. Auf keinen Fall aber hatte sie einen beruhigten Menschen zurückgelassen, sondern einen sehr aufgewühlten, und ich war froh, die Säule in meiner Nähe zu wissen, gegen die ich mich lehnen konnte.
***
Wie lange ich unbeweglich auf dem Fleck und in dieser Haltung gestanden hatte, wußte ich nicht zu sagen. Aber es hatte gedauert, bis sich mein Herzschlag wieder einigermaßen normalisierte und ich wieder klar denken konnte.
Eigentlich war ich in die Kathedrale gekommen, um einen mir unbekannten Mönch zu treffen, aber das war jetzt zweitrangig geworden, denn Donatas Warnungen hatten mich aufgewühlt. Dabei dachte ich nicht so sehr an mich, sondern mehr an meine Eltern. Im Gegensatz zu mir waren sie relativ hilf- und schutzlos.
Aber sie waren Sinclairs!
Und wieder war vom Fluch der Sinclairs gesprochen worden, sogar noch mehr, denn Donata hatte mich vor dem Sinclair-Inferno gewarnt. Dieser neue Begriff sorgte bei mir für den Ausbruch einer tiefen Furcht, denn ich wußte auch, daß ich von hier aus meine Eltern kaum schützen und mich dabei auch nicht auf Donata verlassen konnte, denn so stark war sie leider nicht.
Es gab auch keinen konkreten Anlaß, um in Lauder Polizeischutz für sie abzustellen, wobei das sicherlich nichts brachte, denn meine Gegner durchbrachen jede Mauer.
Am liebsten hätte ich die Kathedrale fluchtartig verlassen, um mich in den Wagen zu setzen, der mich zum Flughafen brachte.
Aber ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen, und ich war nach wie vor davon überzeugt, hier den Anfang eines roten Fadens in die Hand zu bekommen, der mich schließlich zum Ziel führte.
Die kühle Luft in der mächtigen Kathedrale kam mir plötzlich noch kälter vor. Sie war irgendwie eisig geworden, aber so, daß ich Mühe hatte, es zu beschreiben. Nicht normal eisig, mehr von einer unheimlichen Botschaft durchzogen.
Ich warf noch einen letzten Blick in die Runde, bevor ich meinen kurzfristig gefaßten Entschluß in die Tat umsetzte und die Kathedrale mit schnellen Schritten verließ. Mit der Unruhe konnte ich einfach nicht leben, weil ich wissen wollte, wie es meinen Eltern ging.
Man kann über Handys schimpfen, man kann sie verdammen, aber es gibt Momente, wo man sie wirklich braucht. So einen erlebte ich in diesem Augenblick, denn mit diesem wirklich guten Gerät konnte ich auch meine Eltern in Schottland erreichen, und das war keine kurze Entfernung.
Ich hatte die Kathedrale durch dieselbe Tür verlassen, durch die ich sie auch betreten hatte. Jetzt stand ich im Freien und war nicht so tief in Gedanken versunken, als daß ich die Veränderung in der Umgebung nicht bemerkt hätte.
Es war dunkler geworden. Der Himmel hatte eine schmutzige Farbe bekommen. Der Tag verabschiedete sich zu dieser Jahreszeit schon früh, und eine Sonne hatte ich in den vergangenen Stunden kaum gesehen. Die Schatten am Himmel nahmen zu und vereinigten sich mit denen, die das mächtige Mauerwerk hinter mir warf. Sie flossen auf mich nieder, als wollten sie mich einhüllen wie Tücher.
Ich war in der Türnische stehen geblieben und hielt das Handy in der linken Hand. Bevor ich wählte, warf ich einen Blick in die Runde.
Mir fiel nichts auf. Da war die Düsternis, die Schatten, kaum Lichter, abgesehen von der Straßenbeleuchtung, die kalt und fahl wirkte, und mit ihren Lichtinseln bestenfalls für eine Orientierungshilfe sorgte.
Um diese Zeit waren meine Eltern sicherlich im Haus. Ich atmete schon einmal auf, als der Ruf durchkam. Das Freizeichen war zu hören – einmal, zweimal, dreimal…
»Hebt schon ab!« murmelte ich und ärgerte mich darüber, daß ich zitterte. Donatas Warnungen hatten mich verdammt nervös werden lassen.
»Sinclair!«
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich die Stimme meines Vaters vernahm. Dabei war ich so überrascht, daß ich zunächst nicht antwortete, was die Ungeduld bei meinem alten Herrn auslöste, und er sagte noch einmal seinen Namen. »Ich bin es, John!«
Eine kurze Pause. Dann der Ruf. »Du bist es, Junge! Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Sag nur nicht,
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