1.000 Euro für jeden
Vorschub geleistet: dass in vielen Familien die Frau nur etwas hinzuverdient, der Mann jedoch die Familie ernährt. In dieser Konstruktion liegen alle bekannten zwischenmenschlichen Fallen begründet: der besondere Machtanspruch der Männer, die Abhängigkeit und Existenzangst der Frauen. Statt einer gleichberechtigten Partnerschaft entstehen somit mehr oder weniger notdürftige, ökonomisch motivierte Zweckgemeinschaften.
Diese Verknüpfung von Existenzsicherung und Abhängigkeit soll durch das Grundeinkommen aufgelöst werden: Jeder und jede soll über sein oder ihr eigenes Grundeinkommen verfügen, unabhängig davon, mit wem er oder sie das Leben teilt. Somit ist jedem Menschen freigestellt, ob er sich finanziell mit dem Grundeinkommen begnügt, um sich beispielsweise auf die Erziehung von Kindern zu konzentrieren, oder einer bezahlten Tätigkeit nachgeht. Durch den individuellen – bedingungslosen – Rechtsanspruch entfallen auch die unsäglichen Überprüfungen der Privatsphäre, wie sie mit der aktuellen Vergabe von Sozialleistungen verknüpft sind. Denn in der Bewertung durch die Sozialbehörden macht es derzeit einen Unterschied, ob zwei Menschen als Wohngemeinschaft oder als Liebespaar zusammenleben – Erstere können beide unabhängig vom Einkommen des anderen Sozialleistungen erhalten, Letztere müssen nachweisen, dass der jeweils andereebenfalls nicht über ausreichend Geld verfügt und dass sie keine Liebesbeziehung haben. So müssen manche Wohngemeinschaften befürchten, dass das Amt neugierige Blicke in ihre Schlafzimmer wirft, sobald einer von ihnen staatliche Hilfe bezieht. Diese Fälle sind ja in den Medien breit diskutiert worden.
Wenn alle über ihr eigenes Grundeinkommen verfügen, ist es egal, mit wem sie in welcher Form zusammenleben – in einem Jahrhundert, in dem ohnehin nur noch knapp die Hälfte der Menschen an Ehe denkt und in den Ehen im Schnitt nur fünf Jahre halten, sind zeitlich befristete Lebensgemeinschaften zwischen autonomen Individuen vielleicht ohnehin die angemessene Lebensform.
3. Keine Bedürftigkeitsprüfung
Dieses Kriterium richtet sich gegen die Willkür und das Folterinstrument der »Bedürftigkeitprüfung« durch staatliche Stellen. Als »bedürftig« gilt, wer den eigenen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigener Kraft bestreiten kann. Dies entscheidet in aller Regel eine Sachbearbeiterin nach Aktenlage. Wer je bei Stellen um Unterstützung nachsuchen musste, weiß, wie sehr jede Entscheidung von dem Menschenbild, der Empathie, der Laune und der Tagesverfassung der Gegenüber abhängt, die die scheinbar objektive Lage subjektiv bewerten. Wer je um Unterstützung nachsuchte, dem steckt die Würdelosigkeit und Scham, die mit diesem Nachweis der »Bedarfsberechtigung« verbunden sind, in den Knochen.
Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung 2006 zufolge nehmenviele Menschen, die eigentlich bedürftig sind, keine Sozialleistungen in Anspruch – aus Stolz oder Scham: Etwa zehn Millionen Menschen seien in Wahrheit ALG-II-berechtigt, auch wenn die Statistik zum Zeitpunkt der Studie offiziell nur 7,4 Millionen Hartz-IV-EmpfängerInnen auswies. Sich einer dritten Person gegenüber als bedürftig zu zeigen, empfinden viele Menschen als demütigend, weshalb sie lieber auf jegliche Unterstützung verzichten. Götz Werner charakterisiert die Hartz-IV-Realität deshalb als »offenen Strafvollzug«.
Die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens bezieht sich aber konsequenterweise auch auf Menschen, die ganz offensichtlich – und vermutlich sogar nach eigener Einschätzung – nicht bedürftig sind, denn: Auch Millionäre sollen Grundeinkommen bekommen. Dem Einwand, es sei doch Geldverschwendung, wenn reiche Menschen staatliche Unterstützung bekämen, lässt sich leicht entgegnen, dass Reiche auch heute schon von zahlreichen mehr oder weniger verdeckten staatlichen Subventionen profitieren, sei es durch die Befreiung von der Kerosinsteuer (arme Menschen fliegen weniger als reiche), die Struktur der Familienförderung, die ihnen hohe Freibeträge zubilligt, und vieles mehr.
Durch eine angemessenere Besteuerung höherer Einkommen würde das Grundeinkommen mit der Steuerschuld verrechnet, so dass denen, die viel haben, das Geld zwar auch ausbezahlt, aber doch gleich wieder als Steuer zurückfließen würde.
Das bedingungslose Grundeinkommen folgt dem Gerechtigkeitsprinzip, das wir an anderer Stelle aus dem Gemeinwesen kennen und ganz selbstverständlich
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