1.000 Euro für jeden
finden: Kindergärten, Schulen und Universitäten werden auch von Kinderlosen mitbezahlt; Menschen, die niemals Bus oder Bahn fahren, finanzierenden öffentlichen Nahverkehr mit; überzeugte Bahnreisende zahlen auch für den Autobahnbau; und Bibliotheken oder Theater werden auch aus Steuern derjenigen subventioniert, die Kultur für das Überflüssigste auf der Welt halten. Das bedingungslose Grundeinkommen ist erweiterte praktizierte Solidarität eines Gemeinwesens, das alle Individuen gleich behandelt.
4. Kein Zwang zur Arbeit
Dieses Kriterium löst die größten Emotionen und Widerstände aus, weil es am konsequentesten mit unseren Denkgewohnheiten bricht. Denn das bedingungslose Grundeinkommen soll nicht nur ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden, sondern auch ohne Zwang zur Arbeitsleistung. Dadurch unterscheidet es sich explizit von allen Modellen einer Grundsicherung, die allesamt eine Verpflichtung zur Arbeit beinhalten. Wir kennen uns gut damit aus, wie es ist zu arbeiten, ohne dafür entlohnt zu werden, aber die Vorstellung, ohne Arbeit Geld zu kriegen, beunruhigt in vielerlei Richtungen: Wer würde dann noch die gesellschaftlich notwendigen, aber ungeliebten Arbeiten verrichten, ja, wer würde dann überhaupt noch arbeiten? Oder liegt in der Befreiung vom Zwang zur Arbeit nicht die einzige Chance, adäquat auf den Verlust von immer mehr herkömmlichen Erwerbsarbeitsplätzen zu reagieren? Müssen zukünftig nicht überhaupt viele Menschen damit rechnen, nur noch befristet, projektbezogen, eine leidlich bezahlte Arbeit zu finden?
Von der Befreiung des Zwangs zur Arbeit verspricht sich das BIEN-Netzwerk eine neue – notwendige – Vielfalt von nebeneinanderexistierenden Arbeits- und Tätigkeitsformen. Besonders in diesem Punkt liegt der gesellschaftliche Mehrwert: in der Freiheit, zwischen den unterschiedlichen Sphären des Lebens wählen zu können, zwischen bezahlter Arbeit, Beziehungsarbeit, beruflicher Neuorientierung oder Erweiterung – und ja: auch Müßiggang –, die sich gegenseitig unterbrechen, ergänzen, gar bedingen können. Was den Wechsel zwischen Erwerbs- und Beziehungsarbeit anbelangt, ist dieser gegenwärtig – unfreiwillig – immer noch meist den Frauen vorbehalten, mit den bekannten negativen Konsequenzen für den Wiedereinstieg ins Berufsleben, an den nach wie vor männliche Maßstäbe angelegt werden. Ein Grundeinkommen könnte helfen, genau diese Standards zu verändern, und für beide Geschlechter Durchlässigkeiten in ihren Biographien erzeugen.
Die Kernidee des Grundeinkommens noch mal in der Übersicht: Das bedingungslose Grundeinkommen soll
• die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
• einen individuellen Rechtsanspruch darstellen,
• ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden,
• keinen Zwang zur Arbeit bedeuten.
An diese vier Kriterien knüpft sich eine Reihe von Einwänden, die in den letzten Jahren vielerorts diskutiert wurden.
Notorische Einwände gegen
das Grundeinkommen
• Die Forderung der existenz- und teilhabesichernden Höhe führt zwangsläufig zu der Frage der Finanzierung des Grundeinkommens. Schließlich seien die Sozialkassen doch jetzt schon überlastet:
➠ Können wir uns das Grundeinkommen überhaupt leisten?
• Der individuelle Rechtsanspruch bedeutet eine Umverteilung von Geld und Macht. Vor allem Männer in traditionellen Familienkonstellationen fürchten um den Machtverlust, wenn ihre Ehefrau plötzlich über eigenes Einkommen verfügt, vielleicht sogar als Erziehungsberechtigte der gemeinsamen Kinder auch noch über deren Grundeinkommen. Wenn alle Beteiligten ökonomisch auch allein überleben könnten, hätte dies mit Sicherheit erhebliche Auswirkungen auf bestehende Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder. Sehr wahrscheinlich würde sich das Verhältnis der Geschlechter ändern, wenn der »Versorgungsaspekt« durch die steuerlich und ideologisch begünstigte Ehe wegfallen würde, weil Frauen plötzlich genauso viel Grundeinkommen hätten wie Männer. Daher reagieren die Geschlechter unserer Erfahrung nach auch höchst unterschiedlich auf diesen Aspekt des Grundeinkommens: Männer lehnen den individuellen Rechtsanspruch häufig ab, Frauen reagieren eher vergnügt auf diese Vorstellung.
Doch nicht nur die Geschlechterverhältnisse ändern sich. Auch viele andere gewohnte Aspekte der Lebenswelt wären plötzlich in Frage gestellt. Kündigungsschutz könnte eine andere Bedeutung bekommen,
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