1.000 Euro für jeden
früh, Ende 2005, dazu angeregt, über »eine Art Grundeinkommen« nachzudenken. Genau das passiert, intensiv und in aller Offenheit, aber vor allem außerparlamentarisch.
Als ein zentrales Forum der Diskussion hat sich in Deutschland wie in anderen Ländern vor wenigen Jahren das Netzwerk Grundeinkommen gebildet. Hier engagieren sich Wissenschaftler, Studierende, Angehörige der Erwerbslosen- und Armutsbewegung, kirchlicher Verbände und Mitglieder verschiedener Parteien. Das Netzwerk gründete sich, mit Sinnfür Symbolik, am 9. Juli 2004, eben jenem Tag, an dem in Deutschland die seither so genannten Hartz-IV-Gesetze verabschiedet wurden. »Die heute verabschiedeten Gesetze führen letztlich zur Entwürdigung derjenigen, die auf soziale Sicherungssysteme angewiesen sind«, kommentierte Michael Opielka, Professor für Sozialökologie in Königswinter, und gab im Gegenzug die Gründung des Netzwerks als pluralistisches Forum für Intellektuelle und politisch Aktive bekannt, das sich künftig für die Einführung eines Grundeinkommens starkmachen werde.
Das deutsche »Netzwerk Grundeinkommen« gliederte sich mit seinen etwa zweitausend Mitgliedern in das ebenfalls 2004 gegründete weltweite Netzwerk Basic Income Earth Network (BIEN) ein. Dieses besteht derzeit aus 16 nationalen Netzwerken, darunter neben Deutschland, Österreich und der Schweiz auch Argentinien, Brasilien, Australien, die USA, Kanada und Japan. Das heutige BIEN-Präsidium ist mit Persönlichkeiten aus Qatar, Südafrika, Spanien und den USA international besetzt.
Was als wissenschaftlicher Diskurs begann, wird allmählich zu einer Bewegung. »Die Idee des Grundeinkommens verbreitet sich wie ein Schwelbrand, der weiter ist, als es ein gelegentliches Züngeln zeigt. Weil sie vernünftig ist, weil sie an der Zeit ist«, meint Daniel Häni, treibende Kraft der Schweizer »Initiative Grundeinkommen«. Der Kaffeehausbesitzer und Social Entrepreneur aus Basel hat zusammen mit dem Frankfurter Künstler Enno Schmidt einen hundertminütigen Lehrfilm »Grundeinkommen – ein Kulturimpuls« gedreht, der kostenlos aus dem Internet herunterzuladen ist (www.kultkino.ch/kultkino/besonderes/grundeinkommen). 250000 Menschen haben das bereits getan und noch einmal soviele haben den Film bei öffentlichen Vorführungen in Kinos oder Kulturzentren gesehen und heiß diskutiert.
2008 und 2009 gab es in einer beachtlichen Anzahl deutscher Städte eine »Woche des Grundeinkommens«, zu der 247 Organisationen – von A wie Aachener Forum Tätigkeitsgesellschaft bis Z wie ZusammenLEBEN – und etwa dreitausend Einzelpersonen aufgerufen hatten. Zum Markenzeichen der Grundeinkommensbewegung sind dabei öffentliche Krönungsaktionen geworden, bei denen Passanten durch eine goldene Pappkrone zu König und Königin ausgerufen werden – und zwar alle, die es wollen, bedingungslos. Die »Königswelle«, die auch 2010 weitergeht, inszeniert einen Gedanken des Schweizer Radiojournalisten Michael Sennhauser, der die Botschaft des Films von Daniel Häni und Enno Schmidt so zusammenfasste: »Wenn jeder sein eigener König ist, muss keiner der König des anderen sein.« Die unterschiedlichen Reaktionen auf diese Aktion sind das eigentlich Interessante: Einige konnten sich überhaupt nicht vorstellen, für sich selbst verantwortlich zu sein, wehrten es ab, keine und keinen über sich haben zu können, der oder die einen zwar begrenzt, aber eben auch entlastet. Weitere Reaktionen waren Furcht vor der Frage: »Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?«, aber auch große Nachdenklichkeit, weil nicht wenigen der Gekrönten bewusst wurde, dass sie sich noch nie erlaubt hatten, diese Frage zu stellen. Ganz überwiegend aber setzte die Königinnenfrage Energien und die Vorstellung frei, durch das Grundeinkommen die eigenen Geschicke selbst in die Hand nehmen zu können.
Auch im World Wide Web findet das bedingungslose Grundeinkommen immer mehr AnhängerInnen. »Innerhalb von nur zwei Monaten haben WIR UNS verdoppelt. Am 20. Januarwaren wir 10000. Heute am 14. März 20000!«, titelte im Frühjahr 2010 die auf Facebook eingerichtete Seite zum bedingungslosen Grundeinkommen: Zwanzigtausend Grundeinkommen-Fans registrierten sich bei Facebook (Mitte Juni 2010 waren es bereits 28000), über 53000 Menschen unterzeichneten im Februar 2009 eine Online-Petition an den Bundestag, zu der eine bis dahin politisch unauffällige Tagesmutter, Susanne Wiest, aufgerufen hatte.
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