1.000 Euro für jeden
dem Muster funktional differenzierter Fertigungshallen gehorchen. Die Einführung der sogenanten ECTS-Punkte (European Credit Transfer and Accumulation System), die die Leistung eines Studenten messen sollen. Eine Norm, die bis ins Detail von Industrienormen abgeleitet wird. Nichts stört so sehr wie die individuelle Abweichung. Das ist klassisches Maschinendenken.«
Während Immobilienblasen platzen, die Weltwirtschaft kollabiert, die Klimakatastrophe dringend neuer Lösungsansätze bedarf, sind die Hochschulen seit der Einführung von Bologna ausschließlich mit sich selber beschäftigt. Es grenzt an Selbstnarkotisierung. Sie evaluieren sich zu Tode. Und – um mit Hans-Peter Dürr zu sprechen, dem Physiker und langjährigen Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in München – es ist eben nicht so, wie oft behauptet, dass wir mit der Reform eine Wissensgesellschaft anstreben oder sogar erreichen würden. Vielmehr sind wir durch sie zu einer Datensammlungsgesellschaft geworden.
Doch nicht nur von außen wird Bologna heftig kritisiert, sondern auch von innen. In Mainz hat der Theologieprofessor Marius Reiser 2009 aus Protest gegen den Bologna-Prozess seinen Lehrstuhl niedergelegt. Er schildert seine Erfahrungen: »Zu Humboldts Zeit dominierte noch ein Universitätsmodell, in dem alles an der Nützlichkeit ausgerichtet war und in dem die Berufsbildung die Hauptsache sein sollte – genau das, was heute im Zuge des Bologna-Prozesses als so schrecklich modern und zukunftsträchtig gilt. Undjetzt spannt man uns wieder das abgehalfterte Pferd aus dem 18. Jahrhundert vor den Karren und nennt das, wogegen Humboldt sich vor 200 Jahren gewehrt hat, unsere Zukunft.«
Die Studierenden erleben sich als kleinste Rädchen im Getriebe einer auf Verwertbarkeit und Ökonomie getrimmten Leistungsgesellschaft. »Viele Bachelor-Studenten leiden unter Depressionen« oder daran, »vor lauter Angst nicht lernen zu können«, zitiert der Spiegel im September 2009 einen Psychologen aus der Studienberatung Münster. Der Deutsche Hochschulverband, der rund 23000 ProfessorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen vertritt, forderte bereits im Sommer 2008 eine Reform der Reform – bis hin zum Teil-Moratorium. Die grundsätzliche Tendenz des Bologna-Prozesses sei die völlig falsche. Denn statt möglichst viele Menschen für die neue Wissens- und Kulturgesellschaft zu befähigen, werde in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen das Selektionsprinzip der Schulen fortgeführt. Nur dreißig Prozent der besten Bachelor-Absolventen dürfen ein Master-Studium anschließen – der Leistungsdruck ist enorm. Das allgemeinbildende Studium ist zur Jagd auf Creditpoints verkommen, bei dem ökonomische Effizienz mehr zählt als kritischer Verstand oder gar Vernunft.
Natürlich ist Bildung nicht Selbstzweck, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Einer der wortgewaltigsten Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, Klaus Landfried, hat das ökonomische Potential des Wissenschaftsbetriebs betont: Ohne Innovationen aus der Forschung entstehen keine neuen Produkte und Dienstleistungen, auch keine hochqualifizierten Arbeitskräfte, deren Wissen und Können für Unternehmen wichtiger sind als Geld. Hochschulen schaffen Arbeitsplätzeund ziehen weitere Institutionen nach sich, die weitere Arbeitsplätze schaffen. Auch die kulturelle Ausstrahlung von Hochschulen stärkt über eine höhere Lebensqualität die wirtschaftliche Anziehungskraft einer Region.
Mit dieser Feststellung macht Landfried zugleich deutlich, dass ökonomische Bedeutung der Wissenschaft nicht gleichzusetzen ist mit ihrer Ökonomisierung, die die Räume für Forschung und Entwicklung immer enger macht. Der Wirtschaftlichkeitswahn bremst die dringend notwendige experimentelle Weiterentwicklung von Wissen aus. Die Freiheit universitärer Forschung wurde in Jahrhunderte währenden Kämpfen errungen. Heute müssen Forscherinnen ihre Ideen innerhalb von Wochen und Monaten mundgerecht und präzise ausarbeiten, um Drittmittel anwerben zu können, die ihnen überhaupt erst die Weiterarbeit ermöglichen.
Sowohl für den akademischen als auch für den kulturellen Bereich sowie für zahlreiche politische, soziale und wissenschaftliche Projekte unterschiedlichster Art gilt: Anträge auf staatliche Mittel sind oft so umfangreich, dass sie Monate Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Ihre Bewilligung dauert ebenfalls oft Monate. Wer solche Anträge nicht von einer festen Stelle
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