1.000 Euro für jeden
dem erprobenden Charakter des Spiels, das Grenzen wissentlich überschreitet und damit das Bewusstsein konzentriert. Es schafft in der Hingabe und seinem übenden Charakter selbst Phantasie, Erfindungsgabe und Möglichkeiten der Emanzipation. Nicht das Problemlösen steht im Mittelpunkt, sondern das Umgehen mit Problemen, das Nachdenken, die Fähigkeit, etwas von allen Seiten zu betrachten. Dies führt zu neuen Entdeckungen, weil dem Gegenstand spielerisch Raum und Zeit gegeben wird. Nach Richard Sennett ist das handwerkliche Arbeiten nicht bloß geschlechterkonformes Kochen und Töpfern, sondern auch diekollektive Arbeit an der freien Software Linux oder an der Erstellung der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Hier hätte man sich gewünscht, er hätte Design, Mode und Architektur mit hinzugenommen – Branchen, in denen meist im Team an gemeinsamen Aufgaben gearbeitet wird.
Ein Vorteil dieser Aufmischung von Schule durch andere Berufsgruppen liegt auch in der Verbesserung der prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mehrzahl der Künstler, Wissenschaftlerinnen oder Handwerker. Es würde ihnen ein zweites – temporäres – ökonomisches Standbein verschafft.
Im Vokabular der Unternehmensberatungen wäre das eine klassische »Win-win-Situation«, das heißt, alle Beteiligten hätten etwas davon. Und es ist auch erkennbar, dass gerade oft Künstlerinnen, und eben nicht die dafür ausgebildeten Kunstlehrer, große Lust haben, sich in Schule einzumischen, Neues auszuprobieren und sich für zeitlich begrenzte Projekte zu begeistern. Sie kommen von außen, verkörpern eine Welt, in der Wissen und Handeln konkret eingesetzt werden.
Solche Veränderungen können in jeder einzelnen Schule eingeleitet werden. Denn Lehrpläne sind nur richtungsweisend und nicht als Gesetzestext zu verstehen. Die Schulleitung übernimmt die Verantwortung, dass die Anforderungen alles in allem eingehalten werden. Die Schulbehörden sind heute noch eher misstrauisch. Doch Jahr für Jahr lassen sie sich mehr von den Erfolgen dieser selbständigen Schule überzeugen – in der nicht, wie manch einer fürchtete, jeder macht, was er will, sondern in der immer mehr Schüler und Lehrerinnen tatsächlich etwas wollen: so gut wie möglich offen mit neuen Wegen kreativen Lernens umgehen.
Von Reformern lernen
Der radikalste Gegenentwurf zur preußischen Erziehung waren im letzten Jahrhundert tatsächlich die Ansätze der Waldorf-Pädagogik. Sie haben vom Grundsatz nichts an Aktualität verloren.
Mädchen und Jungen jeder Herkunft sollten gemeinsam mindestens zehn Jahre lang kognitive ebenso wie soziale und künstlerische Fähigkeiten entwickeln, ohne Noten und ohne Sitzenbleiben. Gelernt wird in Zusammenhängen, Epochen, statt in nacheinander aufgereihten Fächern, zwischen denen es keine Verbindungen gibt. Die Kernfrage damals wie heute lautet: Wie kann ich anregen, dass die Aktivität von den Schülern ausgeht? Das kann nur passieren, wenn die Schule eine neue Kultur der Aufmerksamkeit im Umgang mit ihren Arbeiten schafft.
Freie Schulen orientieren sich heute an den verschiedensten reformpädagogischen Ansätzen. 1993 entschied die Karl-Liebknecht-Oberschule in Potsdam, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen im gemeinsamen Unterricht zu integrieren. Daraufhin wurden die Prinzipien der Montessori-Pädagogik allmählich in immer mehr Klassen und Jahrgangsstufen eingeführt. Die im Jahr 2000 in Montessori-Schule-Potsdam umbenannte Schule war über sechs Jahre Schauplatz eines Schulversuchs des Landes Brandenburg – der von WissenschaftlerInnen der Universitäten Potsdam, Halle und Bielefeld begleitet wurde. In dessen Zentrum standen Formen der Leistungsdokumentation und der Unterricht in jahrgangsgemischten Gruppen, bis zur 8. Klasse. Der Schulversuch wurde Ende 2004 erfolgreich abgeschlossen, seitdem hat die Schule denStatus »Schule mit besonderer Prägung« durch das Bildungsministerium erhalten und kann die bewährten Bewertungs- und Organisationsformen abweichend von schulgesetzlichen Vorgaben fortführen. Schon die Kleinsten halten Vorträge, Noten gibt es bis zur 8. Klasse nicht – wie im Schulmusterland Schweden. Bis dahin wird auch eine der Grundideen aus der Reformpädagogik verwirklicht: in altersgemischten Gruppen voneinander zu lernen, zusammenzuleben und sich gegenseitig zu unterrichten wie Geschwister.
Erst ab dem neunten Jahrgang lernen die SchülerInnen in altershomogenen Gruppen und werden im Hinblick auf die drei
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