1.000 Euro für jeden
als Existenzgrundlage und für kulturelle
Teilhabe hätten: Die allermeisten Menschen würden weiterhin arbeiten, aber eben
möglicherweise in grundsätzlich anderen, neuen Formen und Zeitmengen. Denn wie
wir wissen, arbeiten Menschen nicht nur des Geldes wegen. Geld ist nicht die
einzige Währung für Arbeit: Es geht immer auch um soziale Begegnungen, um
Respekt, Anerkennung, Status und darum, seinem Leben eine Struktur und einen
Sinn zu verleihen.
Das
würde auch für die vielen freiberuflichen Existenzen gelten, die sich heute in
den seltensten Fällen die Entscheidungsfreiheit leisten können, einen Auftrag,
die Teilnahme an einem Wettbewerb, an einer Ausschreibung abzulehnen, weil sie
vielleicht inhaltlich nicht hinter der Aufgabe stehen oder ein Produkt
überflüssig oder sogar schädlich finden. Die Freiheit, zu einem zu schlecht
bezahlten Auftrag nein zu sagen, gibt es in diesem Feld nicht. Die Freiheit,
sich lieber nicht mit einem Projekt bei einer Stiftung zu bewerben, auch nicht;
frei, prekär und kreativ lebende Menschen betonen in Diskussionen deshalb immer
wieder, dass ein Grundeinkommen die Maßstäbe ihrer Arbeit hinsichtlich Zeit und
Qualität völlig verändern würde: Theaterstücke könnten länger geprobt, die
Architekturzeichnung nicht durch Computer, sondern von Hand gemacht, Texte
sorgfältiger recherchiert und durchdacht oder Artikel und Bücher auch einmal
gar nicht geschrieben werden, wenn man die Freiheit hätte, nein zu sagen.
Wer
Hunger hat, zahlt für Brot jeden Preis. Wer Existenzangst hat und deshalb keine
Wahl, nimmt jeden Job. Das bedingungslose Grundeinkommen würde genau das
ändern, und das wäre ein großer Schritt für die gesamte Gesellschaft. Und auch
für die Ökonomie, denn erst dann entstünde ein wahrhaft dynamischer Arbeitsmarkt,
auf dem Kunden nicht nur eine echte Wahl zwischen verschiedenen
Arbeitsangeboten hätten, ohne erpressbar zu sein. Denn wenn ich eines der
Angebote in jedem Falle annehmen muss, habe ich auch nicht die freie Wahl, und
von einem freien Arbeitsmarkt kann auch keine Rede sein.
Deshalb
wächst auch der Niedriglohnsektor. Laut einer Studie des Instituts Arbeit und
Qualifikation (IAQ) arbeitet bereits jeder fünfte Beschäftigte für weniger als
9,62 Euro in West- bzw. für weniger als 7,18 Euro in Ostdeutschland. Siebzig
Prozent der Niedriglohnbeschäftigten haben eine abgeschlossene
Berufsausbildung, weitere neun Prozent sogar einen akademischen Abschluss; nur
jeder Fünfte verfügt über keinen qualifizierten Abschluss.
Die
IAQ-Zahlen belegen die hohe Arbeitsbereitschaft vieler, selbst wenn sie dafür
nicht in adäquater Weise entlohnt werden. Die wachsende Armut in Deutschland
resultiert also keineswegs aus fehlender Bereitschaft der Menschen zu lernen
oder zu arbeiten. Das Perfide am politischen Umgang mit Erwerbslosigkeit ist,
dass die Politik den Menschen unterstellt, sie seien vorsätzlich faul. So
suggeriert sie immer noch, dass sich die hohe Arbeitslosigkeit über strengere
Sanktionen bekämpfen ließe.
Vertrauen – Fundament
einer
freien Gesellschaft
Vertrauen
ist das Fundament einer funktionierenden, freien Gesellschaft. Denn auf was
sonst könnten wir ein Gemeinwesen aufbauen?
Schon
in der kleinstmöglichen Gesellschaftsform, der Paarbeziehung, ist Vertrauen die
Grundbedingung für das Miteinander. In jeder Partnerschaft gibt es
Vereinbarungen, an die sich beide Parteien halten – mal offen
ausgesprochen, mal unterschwellig eingefordert. Vertrauen zählt. Ob das nun
Vertrauen auf Treue und Ehrlichkeit oder den offenen Zugang zu den Kreditkarten
des jeweils anderen meint, ist dabei völlig egal. Wir vertrauen auch der
unbekannten Passantin, die wir nach dem Weg fragen, dass sie uns nicht in die
Irre schickt, und zählen an der Kasse nicht das Wechselgeld nach.
Unser
gesamtes Handelssystem beruht auf Vertrauen, selbst (oder gerade) in Zeiten der
Globalisierung. Deswegen empört es uns ja umso mehr, wenn wir erfahren, dass
wir belogen werden, etwa wenn bei Lebensmitteln Etikettenschwindel betrieben
wird oder Waren »Made in Germany« in Wahrheit in Taiwan produziert wurden.
Wir machen
andauernd positive Erfahrungen, auch wenn wir uns ihrer nur selten bewusst
sind. Nur weil die meisten Dinge auf Vertrauensbasis funktionieren, können wir
das Leben so führen, wie wir es tun: Wir vertrauen darauf, dass der Bus kommt,
der uns zur Arbeit bringt. Wir vertrauen darauf, dass die Kollegin, mit der man
gemeinsam einen Auftrag erledigen
Weitere Kostenlose Bücher