1001 Nachtschichten
auf ihrem Händy hätten.
»Komm, Helmut, jetzt zeig uns schon deine tollen Bilder«, drängt er den armen Mann, der in der Pause immer ganz alleine in der Ecke unter der eingestaubten Plastikpalme sitzt.
»Ja gut, hier, ein, zwei Fotos habe ich noch, aber dann lässt du mich in Ruhe«, murmelt der Bedrängte und schiebt Hans sein Händy rüber.
Mein Kumpel werkelt sehr professionell ein bisschen rum und …
Bei Allah, das kann doch nicht wahr sein!
Ich werde verrückt!
Dieser Helmut hat genau dieses eine lustig-schöne Foto gemacht, das ich auch gemacht habe!
Dieses Bild, das man nur von Inges bzw. Klaus’ Wohn zimmer in Schwerte aus machen kann!
Ich versuche meinen Schock halbwegs zu verbergen und tue voll begeistert:
»Mensch, Helmut, das ist aber ein tolles Bild. Der Kirchturm scheint ja vom Baum direkt auf die Kinder runterzustürzen!«
»Ja, schön, nicht wahr?«
»Wo hast du dieses Superfoto denn geschossen?«
»Ehm … öhm … in Österreich … glaube ich … oder war’s im Allgäu … keine Ahnung, ich weiß es nicht mehr …«, stammelt er verlegen.
Ich
weiß es aber!!!
In dem Moment werde ich wie jeden Tag über den Lautsprecher zum Meister gerufen. Zum allerletzten Mal!
Bei Allah, ein Schock jagt den nächsten! Ich habe Eminanims beziehungsweise Viehtreibers Essen im Arbeitsamt liegen lassen! Wie soll ich denn diesen Mann ausschließlich mit meinen albernen Geschichten zufriedenstellen und mich über den Tag retten? Verdammt, ausgerechnet heute, am Schicksalstag, wo der Schwanz …!
Was soll’s, wie sagt man so schön: Lieber ein Ende mit Kündigung als ein Schrecken im Knast!
Als ich sein Büro betrete, befindet er sich gerade mit einem jungen Mann im Einstellungsgespräch.
Mist! Der Schwanz ist schon ab! Meine Stelle wird besetzt, noch ehe ich draußen bin. Wie ich Viehtreiber kenne, wird er den jungen Mann jetzt erst einmal richtig zur Sau machen und ihm dann einen fiesen Sklavenvertrag anbieten.
Aber was ist denn heute los? Während ich fassungslos in der Tür stehe, bietet Viehtreiber diesem bartlosen Knirpssage und schreibe, höre und staune das Doppelte von dem, was ich nach fünfundzwanzig Jahren Firmenzugehörigkeit bekomme! Und so desinteressiert und blöd, wie der Junge aussieht, wird er mit Sicherheit zehnmal langsamer arbeiten als ich, wenn überhaupt.
Also ist es doch die Ausländerfeindlichkeit gewesen, die meine Kumpels und als Nächstes mich auf die Straße gesetzt hat.
Nach so einer brillanten Vertragsunterzeichnung verabschiedet sich der junge Mann auch noch ganz schön schlecht gelaunt! Das verstehe ich ja überhaupt nicht, bei so einem Wahnsinns-Monatslohn würde ich vor Freude dreimal hintereinander an die Decke springen!
Als er an mir vorbeigeht, ruft ihm Viehtreiber hinterher:
»Tim, sag deinem Vater, dass ich diesen Samstag erst um 13 Uhr kommen kann. Die sollen mit der Skatrunde auf keinen Fall ohne mich anfangen!«
»Okäy, Onkel Alfred, sag ich ihm«, antwortet der völlig gelangweilt.
»Ach, da liegt der Hase also begraben«, grinse ich etwas ironisch. »Halle 4 wird endgültig zu einem echten Familienbetrieb umgewandelt. Unsereiner wäre schon froh, wenn er zu denselben schlechten Bedingungen wie bisher weitermalochen dürfte.«
»Osman, sag so was doch nicht. Ich will doch nur, dass du dich verbesserst. Hier bei uns in Halle 4 wärst du doch dein Leben lang nur ein armer Schlosser geblieben!«, grinst er süßsauer zurück.
»Machen Sie sich mal darüber keine Sorgen«, sage ich.»Wir haben ein größeres Problem! Ich habe nämlich Ihr heutiges Mittagessen unterwegs verloren!«
»Ist auch besser so! Ich hab in den letzten drei Wochen fast zehn Kilo zugenommen!«
Oh-oh, das hört sich aber überhaupt nicht gut an!
»Erzähl mir lieber, ob du den Arzt gekillt hast?«, ruft er weiter.
»Was für’n Arzt denn? Wieso soll ich denn einen Arzt killen – wegen der Praxisgebühr?«, frage ich völlig durcheinander.
»Mensch, du hast doch gestern erzählt, dass du im Flugzeug den Arzt gegen die Toilettentür geschleudert hast, wo er liegen blieb – ist er daran krepiert oder nicht?«
»Ach so, das meine Sie! Nein, nein, er ist nicht gestorben – Sie Blödian …«
»Waaas?! Wie redest du denn mit deinem Dienstvorgesetzten?«
»Sie Blödian, sagte die Stuardess zu mir!
›Sie Blödian, Sie haben den Arzt k.o. geschlagen, der den Opa vielleicht hätte retten können! Jetzt liegt er aber selber regungslos vor dem Klo!‹, brüllte sie mich an
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