1004 - Das Phantom in der Fremde
ließ er sie trinken, dann verschloß er die Flasche wieder und warf sie auf den Rücksitz.
»Okay, dann los«, sagte er und wollte den Zündschlüssel drehen, doch der war nicht mehr da.
Seine Hand blieb in der Luft hängen.
»Wo ist der Schlüssel?« fragte Suko. Er ärgerte sich über den Fehler, den er gemacht hatte.
Die Mörderin lachte nur. »Nicht mehr da!« sagte sie dann. »Du wirst ihn auch nicht finden, und wir beide werden von hier nicht wegfahren.«
»Okay, dann bleiben wir. Darf ich dich trotzdem fragen, weshalb du hier blieben willst?«
»Klar, denn wir werden hier sterben…«
***
Ich schluckte Staub, aber das war mir egal. Auch die Sonne störte mich nicht mehr so stark, denn ich hatte eine schmutzige Plane gefunden, die mich einigermaßen vor den sengenden Strahlen schützte. Der Staub aber wurde von den Reifen eines altersschwachen Pritschenwagens aufgewirbelt. Er wurde zu meinem ständigen Begleiter, denn ich hockte auf der offenen Ladefläche, weil die beiden Plätze im stickigheißen Fahrerhaus besetzt waren. Auch dort wäre ich nicht staubfrei gewesen, denn die Seitenscheiben vorn standen offen, und so konnten die Wolken dort auch hineindringen.
Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen.
Selten hatte dieses Sprichwort so zugetroffen wie bei mir und dieser holprigen Fahrt durch eine Landschaft, die für gewisse Leute ihren Reiz haben mochte, aber nicht für mich. Viel sah ich davon nicht, es störte mich aber nicht. Ich hielt die Augen die meiste Zeit über geschlossen und versuchte, mich zu erholen.
Den beiden Männern vor mir war ich dankbar. Nicht nur, weil sie mich mitgenommen hatten, sie waren auch freigiebig gewesen und hatten mir Wasser aus einer Blechflasche zu trinken gegeben. Es hatte bitter geschmeckt und war warm gewesen, hatte trotzdem erfrischt, und ich fühlte mich nicht mehr wie ein ausgetrockneter Schwamm.
Das Glück blieb mir auch weiterhin hold, denn der Fahrer sprach einige Brocken Englisch. Er hatte mal in der Hauptstadt Addis Abbeba gelebt und war dort mit Ausländern zusammengekommen.
Der nächste Glückstreffer hatte mich auch erwischt. Nach Nennung meines Reiseziels hatten beide Männer genickt.
Ich befand mich auf dem Weg nach Aksum. Also war ich trotz allem ein Glückspilz. Wer in einer derartigen Lage steckte wie ich, der reduzierte die Dinge auf das Wesentliche.
Allerdings hatte mein Schwert für leichtes Aufsehen gesorgt. Die Männer hatten sich nicht getraut, irgendwelche Fragen zu stellen, aber sie hatten die Waffe schon mit mißtrauischen Blicken bedacht.
Möglicherweise auch ängstlichen, so genau hatte ich sie nicht unterscheiden können.
Ich hatte trotzdem aufsteigen dürfen und fühlte mich den Umständen entsprechend wohl, auch wenn der Durst noch längst nicht gestillt war.
Unter der Plane war ich einigermaßen geschützt. Die Augen hielt ich halb geschlossen und gab mich meinen Erinnerungen oder Träumen hin. Dabei bemühte ich mich, die Welt positiv zusehen. Ich träumte von einem herrlich kühlen Bier oder versuchte zumindest, es mir vorzustellen. Das gelang nur unvollkommen, denn die letzten Ereignisse ließen sich nicht so einfach streichen.
Immer wieder sah ich mich in diesem unterirdischen Kirchenlabyrinth umherwandern. Auch der alte Hüter mit dem Bart tauchte immer wieder auf. Ich sah ihn tot auf der Treppe liegen, wobei sich mein schlechtes Gewissen wieder meldete, aber ich hatte ihm wirklich nicht helfen können. Dann tauchte wieder das Relief vor meinem geistigen Auge auf. Zusammen mit der Säule, die explodiert war, wobei das Blut in einer gewaltigen Wolke hervorgeströmt war und auch mich erwischt hatte.
Noch jetzt klebten die Spuren auf meiner Kleidung. Hellbraune Blutflecken.
Von einer Straße konnte man beim besten Willen nicht sprechen.
Zumindest nicht von einer normalen. Zwar fuhren wir nicht quer durch das Gelände, aber viel schlimmer hätte auch eine derartige Fahrt nicht werden können. Unsere staubige Piste war steinig, durchsetzt mit Spalten und Hubbeln. Der Staub fand seinen Weg überall hin. Er hatte sich nicht nur auf meiner freiliegenden Haut abgesetzt, er war auch durch die Kleidung gedrungen und bildete auf meinem Körper, zusammen mit dem Schweiß, eine klebrige Schicht, Ich hätte mich dauernd kratzen können.
Ich hatte nicht gefragt, wie lange die Fahrt dauern würde, bis wir endlich Aksum erreicht hatten. Eingerichtet hatte ich mich auf Stunden. Wenn wir dann dort waren, was würde passieren?
Ich
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