Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1004 - Die Stufen der Erkenntnis

Titel: 1004 - Die Stufen der Erkenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Augenblick empfand, er war verpflichtet, Brether in Sicherheit zu bringen. Er mochte innere Verletzungen erlitten haben. Im Eifer des Geschehens hatte Surfo den Drachen, auf dessen Rücken er hierher geritten war, fast vergessen. Er nahm Brether vorsichtig auf und schritt an der steilen Felswand entlang in Richtung eines schmalen Einschnitts, der quer durch die Erhebung zu führen schien. Auf der anderen Seite wartete die Riesenschlange. Ein Reiter mehr würde ihr nichts ausmachen.
    Er war noch keine vier Schritte weit gekommen, da hörte er hinter sich eine Stimme.
    „So ist's recht. Jetzt habe ich euch beide!"
     
    *
     
    Es gibt Situationen, in denen das menschliche Bewußtsein sein Verhalten nicht an Erfahrungswerten oder eingespielten Mustern orientiert, sondern spontan einen zuvor nie begangenen Kurs einschlägt, Hindernisse überspringt, Hemmungen einreißt... in einem Ausmaß und mit einer Wucht, daß der Reagierende sich selbst wie ein Fremder vorkommt.
    Surfo Mallagan löste den Griff, mit dem er den Bewußtlosen auf der Schulter hielt.
    Brether Faddons regloser Körper sank schlaff zu Boden. Surfo drehte sich um. Er wußte instinktiv, welcher Anblick ihn erwartete.
    Scoutie stand acht Meter von ihm entfernt, den Strahler schußbereit in der Hand. In ihren Augen glomm dasselbe böse Feuer, das er zuvor an Brether Faddon beobachtet hatte. Von einem Augenblick zum ändern entstand in Surfos Bewußtsein die Überzeugung, daß alle Welt - außer ihm - den Verstand verloren habe. Das fachte seinen Zorn an, verwandelte ihn in hell lodernde Wut. Sein Gürtel war mitsamt dem schlaffen Körper des Bewußtlosen zu Boden gesunken. Er besaß keine Waffe, und er sah Scoutie an, daß sie gnadenlos schießen würde, sobald sie sich nur im geringsten von ihm bedroht fühlte. Aber das ging ihn plötzlich nichts mehr an. Er war es satt, sich von Irren herumkommandieren zu lassen. Er mußte diesem Wahnsinn ein Ende machen - so oder so.
    „Ich nehme an, dir ist auch der Proviant ausgegangen", knurrte er und trat zwei Schritte auf Scoutie zu.
    „Bleib stehen, wo du bist!" schrie sie ihn an. „Ich brauche eure gesamte Ausrüstung."
    Er mißachtete ihren Befehl. Mit schweren Schritten stampfte er auf Scoutie zu. Er ging vornüber gebeugt, die Schultern nach vorne gereckt, den Schädel eingezogen. Die Buhrlo-Narbe zuckte. Über ihm heulte der staub- und sandgesättigte Wind über die Kante des Felsens. Zur linken Hand zog sich ein blattloses Dorngebüsch, das sich unter der Wucht des Sturmes duckte. Er hatte es zuvor nicht bemerkt. Dort mußte Scoutie sich verborgen haben. Welches Spiel des Zufalls hatte sie und Brether an denselben Ort gebracht? Und wo waren ihre Schüsseln geblieben?
    Ein Blitz schlug knallend vor ihm in den Boden.
    „Bleib stehen!" Scouties hysterische Stimme überschlug sich. „Verdammt ... keinen Schritt weiter!"
    Er tat, als höre er sie nicht. Einen Schritt, und noch einen ... Die flimmernde Mündung des Strahlers ruckte in die Höhe. Ein gewaltiger Laut, ein dröhnendes Brüllen brandete durch das Heulen des Sturmes und brachte die Erde zum Zittern. Guter Drache! Scoutie fuhr unwillkürlich herum. Surfo sprang. Der Schwung trug ihn nicht ganz bis ans Ziel.
    Scoutie sah ihn kommen, aber sie war verwirrt und ihres Zieles nicht mehr sicher. Ihr Schuß fuhr ihm über die Schulter hinweg; er spürte die sengende Hitze auf der Wange.
    Beim zweiten Satz prallte er gegen sie. Er rannte sie einfach zu Boden. Sie stürzte mit gellendem Schrei, Todesangst in den weit aufgerissenen Augen. Der Strahler war ihr aus der Hand geprellt worden. Sie versuchte davonzukriechen, aber Surfo packte sie mit hartem Griff und stellte sie wieder auf die Beine. Seine kräftigen Hände schlossen sich um Scouties Kehle.
    Da traf ihn ihr Blick. Er sah in zwei große Augen voller Angst, Flehen, Entsetzen, Scham. Eine Erinnerung wurde in ihm wach und pochte hartnäckig, bis sie sich über den blindwütenden Zorn hinweg Gehör verschaffte. Scoutie, die Gefährtin: Begleiterin auf der Jagd, Mitstreiterin gegen St. Vain, Rekrutin der kranischen Flotte. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. War er wirklich im Begriff gewesen, Scoutie zu töten?
    Der Griff lockerte sich. Scoutie versagten die Beine. Haltlos sank sie in den Sand. Die Schultern, der ganze Körper begannen, konvulsivisch zu zucken. Trockenes Schluchzen rüttelte die zierliche Gestalt.
    Vor Surfos geistigem Auge erstand eine zweite Erinnerung. Wie von selbst glitt

Weitere Kostenlose Bücher