101 - Gangster in London
darauf sahen die Zuschauer auf der Terrasse wieder das Mündungsfeuer des Maschinengewehres und hörten das unheimliche Rattern. Die Gangster waren auf ein Polizeiboot gestoßen, aber der Kampf blieb einseitig. Als Verstärkungen herbeikamen, war von dem Polizeiboot nichts mehr zu sehen: Es war in den Fluten verschwunden.
Wembury trat bleich in Westens Büro. »Ist er tot?« fragte Terry.
Der Vorgesetzte nickte. »Er ist vollkommen erledigt. Und Scotland Yard auch. Wo steckt denn unser amerikanischer Freund?«
»Er ging vorhin fort, als der Bericht vom Parlamentsgebäude durchkam.«
»Er hatte doch nicht so ganz unrecht mit dem Panzerwagen und dem Tower«, meinte Wembury bitter, sank in einen Stuhl und verbarg das Gesicht in den Händen. »Mein Gott, für diese Aufgabe bin ich nicht geschaffen! Wenn ich daran denke, wie wir lachten, als wir die Nachrichten erhielten, daß die Chikagoer Polizei mit den Alkoholschmugglern nicht fertig werden konnte! Jetzt wissen wir, warum es ihnen nicht gelingt. Wir kämpfen mit Flederwischen gegen Revolver.« Er lehnte sich seufzend in seinem Stuhl zurück. »Das Motorboot, in dem der Kerl entkommen ist, muß die ganze Zeit im tiefen Schatten an der Ufermauer entlanggefahren sein, so daß es von der Themsepolizei nicht bemerkt wurde. Der Sergeant, der das Patrouillenboot steuerte, ist schwer verletzt und liegt in hoffnungslosem Zustand im Hospital; sie haben ihn noch lebend aus dem Wasser gefischt. Jiggs hatte uns den Rat gegeben, alle Polizeiboote auf der Themse mit Maschinengewehren zu bewaffnen, und ich habe nicht auf ihn gehört!«
Captain Allerman kam zur Tür herein. »Hallo, Chef! Tut mir leid, daß es so kommen mußte...«
Wembury nickte. »Irren ist nun mal menschlich. Sie können sich freuen, daß alles so eintraf, wie Sie sagten.«
Jiggs sah ihn düster an. »Ich freue mich nicht! Aber ich werde Ihnen sagen, was Sie tun müssen: Lassen Sie Eddie Tanner und Kerky Smith verhaften und zum Scotland Yard bringen!« »Und was dann?« fragte Wembury nach einer kleinen Pause.
»Dann können Sie sie niederschießen, wenn sie entfliehen wollen.«
Wembury starrte ihn an. »Was? Wir sollen sie unterwegs erledigen?«
»Ja - wenn sie zu fliehen versuchen.« »Aber wenn sie das nicht tun?«
»Falls Sie mir die Sache überlassen, sorge ich schon dafür, daß sie einen Fluchtversuch machen!«
Wembury schüttelte den Kopf. »Das wäre doch glatter Mord!«
»Was ist denn heute abend und während der ganzen Woche passiert? War das vielleicht ein Pfänderspiel? Sie haben es hier mit organisierten Verbrecherbanden zu tun, die Mord für eine ganz normale Sache halten. Meiner Schätzung nach gibt es zur Zeit ungefähr zweihundert solcher bezahlter Pistolenschützen in London, und sie alle sind geübte Spezialisten. Schon seit Monaten hat man ihre Wohnungen und Verstecke vorbereitet. Alles ist sorgfältig geplant. Über zwei Millionen Dollar sind in das Geschäft bereits hineingesteckt worden, aber es macht sich mehr als bezahlt.
Heute abend wird das Geld in vollen Strömen wieder hereinkommen!«
Scotland Yard erließ eine Verordnung, wonach alle uniformierten Polizisten auf den Straßen bewaffnet wurden. Ferner wurde eine Anregung Allermans angenommen: Man richtete Luftpatrouillen ein, die Tag und Nacht über London Dienst taten. Die Beobachter im Flugzeug blieben stets in Verbindung mit gewissen Erdstationen. Bei Tag konnten sie jedes Auto verfolgen, so schnell es auch fuhr, und genau angeben, welches Ziel es hatte. Endlich beauftragte Polizeidirektor Wembury auch seinen Chefinspektor Terry Weston, dem verdächtigen Tetley ernstlich auf den Zahn zu fühlen. »Ich habe ihm befohlen«, meinte Wembury, »sich in meinem Büro zu melden; aber ich werde ihn zu Ihnen schicken. Ich gebe Ihnen dem Mann gegenüber freie Hand. Bis morgen früh will ich wissen, welche Vorsichtsmaßregeln er getroffen hatte und wie es möglich war, daß der Verbrecher über die Terrasse des Parlamentsgebäudes fliehen konnte, ohne gefaßt zu werden. Captain Allerman soll Ihrer Unterredung beiwohnen.« Kurze Zeit später kam Tetley zu den beiden in Terrys Büro. Er sah alt und verfallen aus; der sonst aufgezwirbelte Schnurrbart hing nach unten. Der Mann schien von Angst und Schrecken gepackt und dem Zusammenbruch nahe zu sein.
Tetley sah auf Allerman, dann auf Weston; »Ich möchte lieber mit Ihnen allein sprechen, Chefinspektor! Ich glaube nicht, daß Fremde -«
»Wir haben jetzt keine Zeit, auf Ihre
Weitere Kostenlose Bücher