101 Hamburg - Geheimtipps und Top-Ziele
vorzunehmen, wurden die reichen Besucher ausgeraubt. Der Beutezug wurde durch andere Lokale fortgesetzt, bis der Mob vor der Davidwache (Spielbudenplatz 31) ankam, wo sich die Beamten verschanzt hatten. Die riefen in ihrer Not das Militär zu Hilfe. Eine Woche herrschte in St. Pauli der Ausnahmezustand. Auf dem Spielbudenplatz wurden Geschütze aufgefahren und im Trichter wurde ein Lazarett errichtet. Schließlich kehrte Ruhe ein, das Militär zog ab und die Polizei behielt die bekannten Ganoven im Auge.
In den 1920er-Jahren entwickelte Hamburgs Unterwelt Strategien, um sich unverdächtig treffen zu können. Und was ist in Deutschland unauffälliger als die Gründung eines Vereins? In der Sophienburg (heute ein einstöckiges gelbes Gebäude) an der Ecke Reeperbahn/Detlev-Bremer-Straße (früher Sophienstraße) traf sich ab 1926 der »Spar- Gesellschafts- und Kegelclub Fidelio«. Dessen Mitglieder mussten mindestens ein Mädchen laufen haben, das das Geld in die Sparfächer seines Zuhälters warf. Der Verein behielt einen Obulus zurück, um Anwälte, Kautionen oder die medizinische Versorgung geschlechtskranker Frauen zu finanzieren. Somit war das erste funktionierende Zuhältersyndikat geschaffen. Bis heute gibt es in historischer Folge ähnliche Gruppierungen.
Die wahrscheinlich bekannteste Polizeiwache Deutschlands: die Davidwache
Ein Stückchen weiter von der Reeperbahn zweigt der Hamburger Berg ab. Im »Elbschlosskeller« undim »Goldenen Handschuh« fand einer der berüchtigsten Serienmörder der 1970er-Jahre seine Opfer: Der Nachtwächter Fritz Honka kam hier bei Schnaps und Limonade mit (Gelegenheits-) Prostituierten ins Gespräch und nahm sie mit in seine Wohnung in Ottensen, wo sie seine sexuellen Fantasien erfüllen sollten. Dort erwürgte und zersägte er sie und versteckte die Leichenteile auf dem Dachboden. Die Müllsäcke mit diesen Überresten wurden 1975 nur zufällig bei einem Brand durch die Feuerwehr entdeckt. Honka wurde verurteilt und verbrachte den Großteil seines Lebens in geschlossenen Anstalten, bevor er unter falschem Namen in einem Altenheim unterkam und 1998 starb.
Tatort Große Freiheit
Die skandalumwittertsten Zuhältergruppen der 1980er-Jahre waren die »GmbH« und der »Chikago Clan«. Die GmbH war nach den Gründungsmitgliedern Gerd (Finanzverwaltung), Micha (Mädchenbeschaffer), Beatle (Kontrolle und Disziplinierung der Frauen) und Harry (Expansion in der Provinz) benannt. Die Konkurrenz wurde wegen ihrer Jugend »Nutella-Gang« genannt und taufte sich später in Chikago Clan um. Sie gaben 12 Morde bei Werner »Mucki« Pinzner, bekannt als der »St. Pauli-Killer«, an den Mitgliedern der GmbH in Auftrag. In dieser Zeit vergab man die »Drecksarbeit« an Fremdkräfte. Das führte zu gehöriger Verunsicherung im Milieu, da die Bestrafungsaktionen nicht mehr den beiden Gruppen zugeordnet werden konnten.
So trug sich auch der Mord in der Großen Freiheit zu, der nie aufgeklärt werden konnte. In der Transvestitenbar Schachtel (heute Highway, gegenüber der Großen Freiheit 36) traten 1984 zwei gepflegt gekleidete Herren ein und unterhielten sich kurz mit einem Gast. Plötzlich zückte einer die Waffe und hielt die Gäste in Schach, während der andere auf einen anwesenden Zuhälter vom Chikago Clan einstach. Schnell verschwanden die Täter und mit ihnen der Gast, der mit ihnen gesprochen hatte … (ik)
INFO
Hinkommen: U3 St. Pauli
Kiez-Kult: Die Kneipe Zur Ritze war ehemals der neutrale Treffpunkt für die GmbH und den Chikago Clan, sie sind noch auf vielen Fotos mit Wirt Hanne Kleine zu sehen, der Ende 2011 verstorben ist. Im legendären Boxkeller wird noch heute trainiert. Reeperbahn 140 (Hinterhof), www.zur-ritze.com . Mo–Sa ab 14 Uhr, So ab 18 Uhr, jeweils bis in die frühen Morgenstunden.
Tour-Tipp: Wer noch mehr vom »dunklen« St. Pauli kennenlernen möchte, dem sei die Tour »Von Tatort zu Tatort« von Landgang St. Pauli empfohlen. Rundgang (1½ Std., ab 2 Pers.) 22,50 € p. P. Tel. 040/31794934, www.stpauli-landgang.de .
Kulinarisches Hamburg
79 Essen per Achterbahn: Im »Schwerelos und Zeitlos« isst man sich in die Zukunft hinein
Das Erlebnis-Restaurant liegt in einem alten Backsteingebäude, das früher als Palmspeicher im Harburger Binnenhafen diente. Von Hamburg sind es etwa 20 Minuten Autofahrt, bis man das abgelegene Hafengelände in Harburg erreicht.
Die Idee von »Schwerelos-Zeitlos« ist einfach und genial zugleich: Das Essen gelangt mittels
Weitere Kostenlose Bücher