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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kaufmannssohn und dem Alten
    Und dann begann sie zu erzählen:
    ~ Die Leute behaupten, o König, dass es einmal einen Kaufmann gab, der Geld in Hülle und Fülle und ein gewaltiges Vermögen besaß. Er hatte einen Sohn, den musste man für das schönste Geschöpf Gottes halten. Sein Vater unterrichtete ihn in Literatur und Geschichte und lehrte ihn alles, was man Kaufmannssöhnen beibringen konnte.
    Als nun des Kaufmanns Lebenszeit vollendet und seine Sterbestunde eingetreten war, rief er seinen Sohn zu sich und sprach zu ihm: «Mein Söhnchen, ich muss sterben, daran führt kein Weg vorbei. Aber ich will dir als mein Testament noch einen guten Rat erteilen. Also nimm ihn von mir an und verstoße nicht dagegen.»
    «Ja, mein lieber Vater», erwiderte der Sohn.
    «Mache niemals Geschäfte mit geliehenem Geld», ermahnte der Vater ihn, «und zwar weder als Gläubiger noch als Schuldner!»
    «Ja», versprach der ihm.
    Es wird erzählt:
    Hernach lebte der Mann noch eine kleine Weile – so lange, wie es Gott gefiel – , dann verschied er, Gott sei ihm gnädig. Der Sohn aber nahm das ganze Vermögenseines Vaters an sich. Es ergab zusammengezählt eine Summe von zweitausend Dinar. «Ich will das Geschäft meines Vaters übernehmen», sprach er zu sich selbst. «Ich werde kaufen und verkaufen, nehmen und geben und weder etwas auf Kredit verkaufen noch Anschaffungen tätigen von geliehenem Geld.»
    So lebte er eine Zeit lang. Eines Tages aber, als er gerade in seinem Laden war, kamen Makler auf ihn zu und sprachen ihn an: «Junger Mann, aus zweitausend Dinar können zwölftausend werden, wenn du es willst.»
    «Und wie soll das gehen?», fragte er zurück .
    «Du brauchst dich um nichts zu kümmern», sagten sie. «Du musst nur die laufenden Kosten bezahlen.» Und sie drängten ihn so lange, bis er schließlich einwilligte und den guten Rat seines Vaters vergaß. Sogleich schafften die Makler die Waren heran; er gab einem jeden von ihnen einen Dinar als Arbeitslohn, und die Lagerräume füllten sich mit Waren.
    So fuhren sie unablässig fort , bis der Muezzin zum Nachmittagsgebet rief und der junge Mann die gesamten zweitausend Dinar für die Maklerdienste ausgegeben hatte. Den Rest des Tages saß er da, ohne irgendetwas zu kaufen oder zu verkaufen. Das bedrückte ihn, und er begann sich ernstlich Sorgen zu machen. Auf dem Nachhauseweg fiel ihm das Testament seines Vaters wieder ein. Voll Reue sprach er zu sich selbst: «W as soll ich jetzt bloß tun? Wenn einer von den Eigentümern der Waren kommt, muss ich die Ware des einen verkaufen, um das Geld dem anderen auszahlen zu können. So verliere ich das Geld der Leute, und noch dazu zerrinnt mein eigenes Vermögen zwischen ihnen!»
    Er berichtet weiter:
    Während er so über seinen Geschäften grübelnd vor seiner Haustür saß, kam ein alter Mann vorbei. Es war einer der Freunde seines Vaters.
    «W as ist dir denn zugestoßen, mein Söhnchen?», fragte er, nachdem er ihn gegrüßt hatte.
    «Ich war ungehorsam gegen meinen Vater», klagte dieser . «Ich habe seinen letzten Willen nicht beherzigt und an einem einzigen Tag zweitausend Dinar verloren.»
    «W ie ist denn das passiert?», wollte der Alte wissen.
    Da beschrieb er ihm, wie es sich zugetragen hatte. «Und was soll ich jetzt tun, mein lieber Onkel?», setzte der junge Mann hinzu .
    «Bleib zu Hause», riet ihm der Scheich, «und sag: ‹Ich bin krank, und keiner darf zu mir hereinkommen.› Wenn jemand nach dir fragt, bekommt er die Auskunft, dass du krank bist, vor Schmerzen nicht ausgehen kannst und ganz gewiss bald sterben wirst.»
    An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König aber war entzückt von ihrer spannenden Geschichte. Also schloss er die Tür wieder ab, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
    Die zweite Nacht

    So spricht Faharâyis, der Philosoph:
    Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
    Da rief Danisad: ~ Ach, meine Schwester, ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
    ~ Einverstanden, o König, erwiderte sie. Das war aber eine List von ihr, damit er sie nicht tötete.
    Und der König bat sie: ~ Ich beschwöre dich bei meinem Leben! Fahre fort mit der Geschichte vom Kaufmannssohn und dem Alten!
    ~ Einverstanden, mein Gebieter, sagte sie. ~ Und so geht die Geschichte weiter:
    Der junge Mann stellte

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