1014 - Der Seelenkompaß
Mordversuch. Was darauf steht, brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen. Sie werden jedenfalls die folgende Nacht und auch die nächsten Tage und Nächte nicht mehr in Ihrer Wohnung verbringen. Wenn Sie mich kennen, dann wissen Sie auch, daß mir bei gewissen Dingen einfach der Humor fehlt.«
Ich wartete auf eine Antwort, aber Warren schaute mich nur starr an. Er suchte etwas in meinem Gesicht, vielleicht einen Hinweis, der ihn auf einen Kompromiß hinweisen wollte, aber da war nichts.
»Verstanden?«
»Ja.«
»Mit wem auch immer Sie sich zusammengeschlossen haben, ob es ein Seelenräuber war oder nicht, er jedenfalls wird Ihnen kaum helfen können, das ist sicher.«
Plötzlich wechselte seine Stimmung. Jane und ich wurden von der nächsten Frage überrascht.
»Möchten Sie ihn kennenlernen?«
»Wen?«
»Ihn!«
»Warum dieser plötzliche Umschwung?« fragte Jane.
»Ich möchte Ihre Neugierde befriedigen.«
»Und nicht hinter Gitter, wie?«
»Das auch.«
»Gut«, sagte ich. »Gesetzt den Fall, wir gehen auf Ihr Angebot ein. Was haben Sie vor?«
»Ich werde Sie zu ihm bringen.«
»Und dann?«
»Sehen wir weiter.«
»In Ihrer Wohnung?«
Warren schüttelte den Kopf. »Nein, nicht in meiner Wohnung, sondern in meinem eigentlichen Refugium.«
»Wo ist das?«
»Das erzähle ich Ihnen, wenn wir unterwegs sind.«
Ich schaute Jane an. Sie nickte. Auch ich war einverstanden, obwohl ich damit rechnen mußte, daß uns dieser Kerl eine Falle stellte, denn er wirkte nicht mehr bedrückt, sondern schon mehr aufgeräumt. In seinem Refugium schien er sich sehr sicher zu fühlen, und wir würden dort an die Lösung des Falls herangeführt werden.
»Stehen Sie auf«, sagte ich.
Mühsam quälte er sich in die Höhe.
»Hol du bitte die Handschellen, Jane.«
»Geht klar.«
Sie kannte sich in meiner Wohnung aus. Phil Warren aber fing an zu lachen und legte dabei den Kopf zurück. »Jetzt haben Sie auch noch Angst vor mir - wie?«
»Nein, das nicht, aber ich schalte gern Risiken aus.«
»Okay, tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
Jane kehrte mit der stählernen Acht zurück. Warren kannte den Vorgang. Er hielt seine Arme freiwillig auf den Rücken, und wenig später hatten die stählernen Fesseln seine Gelenke umschlossen.
Ich gab Jane die Pistole, damit sie Warren weiterhin bewachen konnte, betrat das Schlafzimmer und zog mich dort um. Jane hatte bereits ihren Mantel übergestreift, als sie die Handschellen geholt hatte.
Mein Kopf war voller Gedanken. Wir hatten jetzt zwei Spuren. Einen Schatten, den Seelenräuber, und einen Mann, der Phil Warren hieß und mal Polizist gewesen war. Er mußte mit beiden Beinen so tief im dämonischen Schlamm stecken, daß er sogar bereit gewesen war, einen Menschen zu töten. Aus eigenem Antrieb hätte er das wohl nicht getan. Er vertraute eben auf Kräfte, die den Menschen überlegen waren.
Die Beretta nahm ich mit, das Kreuz ebenfalls. Ich wollte nur eine Waffe tragen. Warrens Luger ließ ich Jane Collins, die sie in den Gürtel steckte.
»Fahr du!« sagte ich.
»Okay.«
Warren hatte uns zugehört. »Es ist nicht einmal weit«, sagte er und lächelte.
»Und wo müssen wir hin?« wollte Jane wissen.
»Das sage ich euch unterwegs.«
Ich überlegte noch, ob ich Suko Bescheid geben sollte. Nein, diese Sache wollte ich mit Jane Collins zusammen durchstehen. Ich hätte Suko auch zuviel erklären müssen. Außerdem war ich von diesem Schatten angegriffen worden und nicht er.
Ich zog nicht einmal eine Waffe, als wir die Wohnung verließen. Ein Mann, dessen Arme auf dem Rücken gefesselt waren, würde sich kaum wehren können.
Abwärts.
Ich beobachtete Warren. Er schaute an mir vorbei. In seinem Gesicht regte sich kaum etwas. Aber das Lächeln auf den Lippen sprach irgendwie Bände.
Ausgestanden jedenfalls war der Fall noch nicht. Es konnte sein, daß er erst richtig begann…
***
Und doch gab es für uns eine Überraschung, als wir in den breiten, dunklen Innenhof gefahren waren und vor einem Haus anhielten, das Jane und ich kannten. Wir saßen noch im Wagen, Jane hinter dem Steuer, Warren und ich hinten.
Die Detektivin drehte den Kopf. »John, sag mir, ob ich mich irre oder mir etwas vormache. Diesen Bau kenne ich. Das ist das Museum für Kriminalistik.«
»Du hast es erfaßt.«
»Und was sollen wir hier?« fragte sie, jetzt allerdings an Phil Warren gewandt.
Er gönnte uns ein meckernd klingendes Lachen. »Sie wollten doch wissen, wo ich arbeite?«
»Hier?«
»Ja,
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