1016 - Der Narr aus Venedig
konnte sie durch die Küche gehen, aber auch direkt den Eingangsflur hinter der Tür des Restaurants benutzen. Sie entschied sich für die zweite Möglichkeit.
Die Schwärze in der Küche gefiel ihr überhaupt nicht. Dort konnten sich alle verstecken, die ihr Böses wollten.
Neben dem Hauptschalter blieb sie stehen und löschte das Licht im Lokal. Schlagartig wurde es finster. Angela Morinelli spürte plötzlich das Zittern. Sie verkrampfte sich, holte kurz Luft, schloß die Augen und versuchte, sich zusammenzureißen. Sie wollte die Helligkeit zurück haben und schaltete das Flurlicht ein.
Es ging ihr etwas besser, als das Licht die Dunkelheit vertrieben hatte. Angela dachte daran, daß es im Haus noch einiges zu tun gab. So mochte sie die Treppe nicht, die aus grauen, kahlen Steinstufen bestand und sich nach oben wand. Der Flur mußte unbedingt renoviert werden, aber das hatte Zeit.
Ihr war es wichtiger gewesen, sich um das Lokal zu kümmern, denn dort sollten sich die Gäste wohlfühlen und nicht in einem Treppenflur.
Nach ihrem Einzug hatte sie das Türschloß auswechseln lassen. Eine Sicherheit bot das neue Schloß trotzdem nicht. Ihre Angst nahm immer mehr zu.
Schwerfällig und wie eine alte Frau stieg sie die Stufen hoch. So unfreundlich wie der Flur war ihre Wohnung zwar nicht, aber die Einrichtung entsprach längst nicht ihrem normalen Geschmack. Sie war zwar praktisch, aber auch etwas primitiv. Wenn sie einmal zu etwas Geld gekommen war, würde sich das ändern.
Angela Morinelli wohnte in der ersten Etage. Darüber gab es zwar auch noch ein Stockwerk. Das allerdings war nicht bewohnt. Der Besitzer des Hauses hatte alle Räume in der zweiten Etage bewußt nicht vermietet, weil er selbst in einigen Jahren dort nach einer entsprechenden Renovierung einziehen wollte.
Angela blieb vor ihrer Wohnungstür stehen. Den Schlüssel hatte sie in der rechten Tasche der Bolero-Jacke stecken. Mit zwei Finger holte sie ihn hervor und ärgerte sich darüber, daß ihre rechte Hand zitterte. Nur mit Mühe fand sie das Schloß, dann zögerte sie einen Moment, bis sie den Schlüssel herumdrehte.
Sie stieß die Tür auf. Dabei glitt der Schlüssel wieder aus dem Schloß hervor. Angela steckte ihn ein, sie starrte in ihre dunkle Wohnung, und sie spürte plötzlich das Kribbeln auf der Haut.
Etwas stimmte nicht.
Licht!
Der Flur mit den weißen Wänden lag vor ihr. Sie schloß die Wohnungstür. Auf ihrer Haut lag der Schauer, und sie überlegte, was da nicht stimmte. Etwas war anders als in den übrigen Nächten. Es lag praktisch auf der Hand. Sie brauchte nicht erst weit zu denken, aber sie kam einfach nicht darauf.
Bis ihr plötzlich ein Licht aufging.
Die Kater waren nicht da!
Normalerweise kamen sie an, sobald sie nur hörten, daß die Tür geöffnet wurde. Jetzt aber ließen sich Cäsar und Dino nicht blicken, als hätten sie Angst.
Waren sie weggelaufen? Nein, das ging nicht. Sie zog die Türen immer zu, wenn sie nach unten ging. Oder sie hatten sich aus Versehen eingesperrt, das war auch möglich und schon passiert.
Aber wenn es so gewesen wäre, hätte sie jetzt das Kratzen hören müssen, aber kein Laut war zu hören.
Hier stimmte einiges nicht.
Sie ging tiefer in den Flur hinein. Dabei zog sie schnüffelnd ihre Nase hoch, denn Angela hatte den schon extremen Geruch wahrgenommen, der zwischen den Wänden hing.
Sie wußte ihn nicht zu deuten. Für sie stand nur fest, daß es nicht nach Essen roch.
Die Zimmertüren verteilten sich auf dem Flur. Sie mußte ihn immer wieder betreten, wenn sie von einem Raum in den anderen gehen wollte. Kälte kroch an ihrem Rücken hoch. Sie setzte ihre Schritte sehr vorsichtig weiter und bemühte sich, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen.
Vor der Tür ihres Arbeitszimmers blieb sie stehen. Sie war geschlossen. Das beruhigte Angela nicht, denn es störte sie der Geruch, den sie an dieser Stelle viel intensiver wahrnahm. Noch immer konnte sie ihn nicht einordnen.
Er kam ihr klebrig vor, einfach widerlich. Es war ganz einfach, nur die Hand auf die Klinke legen, die Tür aufstoßen und…
Nein, nicht.
Lauf weg!
Renn, Angela, renn!
Die Frau wußte nicht, wer oder was sich da in ihrem Kopf gemeldet hatte. Die innere Stimme. Vielleicht auch das Unterbewußtsein, es war alles möglich, und sie brauchte große Überwindung, um die Grenze der Feigheit zu überwinden.
Der Gedanke an ihre Katzen ließ sie normal handeln. Zudem wußte Angela auch nicht, wohin sie
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