1016 - Der Narr aus Venedig
bis er sie erreicht hat.«
»Das erkläre mir mal genauer.«
Bill legte seinen Arm um die Schultern der Frau. »Zuerst ist es nur die Botschaft, die Drohung. Ich könnte mir vorstellen, daß sie sich noch verstärkt. Und dann, wenn Angela mit den Nerven so ziemlich am Ende ist, wird der teuflische Liebhaber bei ihr persönlich erscheinen und seine Forderungen stellen.«
»Forderungen ist gut«, meinte Sheila. »Ich denke da eher an Erpressungen und Drohungen.«
»Darauf läuft es vermutlich hinaus. Und damit hat Angela Morinelli ein Problem. Das steht fest.«
Sheila schaute ihren Mann von der Seite her an. »Und wir sicherlich auch, oder?«
Bill nickte. »Wahrscheinlich…«
***
Angela Morinelli hatte die Tür zu ihrem Lokal geschlossen und auch abgeschlossen. Sie blieb in der Nähe stehen und drückte ihren Rücken gegen das Holz. Sie brauchte diese Stütze einfach, denn die Beine waren weich geworden. Das Herz klopfte schneller. Auf ihrer Stirn lag ein dünner Schweißfilm.
Es hatte ihr gutgetan, mit den Conollys zu reden. Da hatte sie für kurze Zeit ihre Beklemmung vergessen können. Aber nun war sie allein, und damit kehrte die Angst zurück.
Angst davor, in ihre Wohnung zu gehen, um wieder die verdammte Nachricht lesen zu müssen.
Aber sie mußte hin. Die Zimmer lagen über dem Lokal. Es waren insgesamt drei und eine Küche.
Einen Raum hatte die Frau als Arbeitszimmer eingerichtet, und darin stand der Computer. Sie war bisher locker mit ihm umgegangen, doch seit einiger Zeit war er für sie zu einem Monstrum gemacht worden.
Irgendein anderer. Wer steckte dahinter? Angela hatte sich den Kopf bereits mehrmals über diesem Problem zerbrochen, ohne allerdings zu einer Lösung zu kommen. Sie wußte es nicht, und sie konnte es sich auch nicht vorstellen.
Die Botschaften waren immer härter geworden und hatten schließlich in dieser Morddrohung geendet.
So lagen die Dinge, und sie wußte nicht, wie sie damit fertig werden sollte. Für sie war dieser Mensch so feige, denn er versteckte sich in seiner verfluchten Anonymität. Angela hatte sich schon gefragt, wie lange sie diese Botschaften noch empfangen würde und wie lange sie das nervlich aushielt.
Es gab keine Antwort auf die Frage. Sie mußte sich den Problemen auch weiterhin stellen und vielleicht versuchen, alles lockerer zu sehen. Außerdem tat ihr es im Nachhinein gut, sich jemand anvertraut zu haben.
Wie jede Nacht ging sie auch in dieser noch einmal durch ihr Restaurant. Sie schaute in der Küche nach, ob die Geräte dort abgestellt waren. Sie löschte auch das Licht im Lager, wo zwei hohe Kühlboxen standen, und sie ließ die Rollos vor die Fenster gleiten. Dabei dachte sie daran, daß die Conollys von der Mafia gesprochen hatten. Kein zu weit entfernter Gedanke, und die Typen hätten ihr jetzt noch gefehlt. Dann hätte sie den Kram hingeschmissen und den Laden dichtgemacht.
So aber wollte Angela weitermachen. Nicht aufgeben, das Lokal lief, es hatte sich herumgesprochen, daß man hier gut essen konnte, und dies auch zu vernünftigen Preisen.
Manchmal überkam sie die Hoffnung, daß der Internet-Typ von allein aufhören würde, mit ihr in Kontakt zu treten. Konkrete Hinweise darauf gab es nicht. Eher traute sie ihm zu, daß er urplötzlich bei ihr persönlich erschien, um sich zu erkennen zu geben.
Davor fürchtete sie sich. Schließlich lebte sie allein, praktisch ohne Schutz. Auch hatte sie daran gedacht, sich einen Hund zuzulegen und ihn als Wächter abrichten zu lassen. Doch sie liebte ihre beiden Kater zu sehr. Ob sich Hund und Kater verstanden, stand in den Sternen.
Die letzten Gäste waren weg. Angelas Blick glitt durch das leere Lokal. Aufgeräumt worden war vom Personal. Ohne die hellen Decken wirkten die Tische irgendwie schmutzig. Hell waren auch die Wände ihres Restaurants gestrichen. Die Maler hatten die Farbe auf dem Rauhputz verteilt. Angela bewegte sich auf die Theke zu. Dahinter war ebenfalls aufgeräumt worden. Aus der offenen Küchentür wehte noch ein letzter Geruch nach Knoblauch. In der Küche selbst war es dunkel. Angela traute sich nicht in die Schwärze hinein.
Es war ein normaler Tag gewesen. Viel Arbeit lag hinter ihr, so hatte sie an ihren teuflischen Verehrer kaum gedacht. Im Gegensatz zum Abend. Da waren die Gedanken an ihn zurückgekehrt. Intensiver und auch bohrender als sonst. Wie eine Warnung vor dem Kommenden. Sie fürchtete sich davor, daß etwas passieren könnte.
Um in das Treppenhaus zu gelangen,
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